Tag 6: Aua, meine Füße
Nachdem die Etappe gestern relativ anspruchsvoll war, habe ich für diesen Tag beschlossen, mein Zelt in Fiesch auf dem Campingplatz stehen zu lassen. Außerdem befinde ich mich ganz in der Nähe des Aletschgletschers, und möchte diesem unbedingt einen Besuch abstatten. Der Aletschgletscher liegt etwas versteckt, "in 2. Reihe". Um ihn sehen zu können, muss ich irgendwie auf den 2000-2500 m hohen Gebirgszug rauf, der sich zwischen Gletscher und Rhonetal erstreckt. Als Ausgangspunkt habe ich mir den Bahnhof des Ortes Betten ausgesucht. Ich plane eine kombinierte Wander-/Seilbahntour, Betten ist der Ausgangspunkt der Seilbahnen zur Bettmeralp und zum Bettmerhorn. Somit packe ich meine Wanderschuhe ein und mache ich mich mit dem Fahrrad auf den Weg zum Bahnhof Betten, ca. 10 km unterhalb von Fiesch. Auf dem Weg kaufe ich noch etwas Proviant für die Wanderung und - ganz wichtig - Pflaster, falls die Blasen, die ich mir am Vortag bei einer kurzen Schiebepassage am Furkapass zugezogen habe, anfangen sollten Ärger zu machen. Zu meiner Überraschung geht es auf den 10 km nach Betten Bahnhof mehr bergab, als ich erwartet habe. Gegen 11 Uhr erreiche ich die Seilbahnstation. Ich parke mein Fahrrad auf dem gigantischen Parkplatz (mit Riesenparkhaus). An der Bahnstation auf gut 800 m Höhe ü. NN hält die Matterhorn-Gotthard-Bahn (Zermatt-Brig-Furkatunnel-Andermatt-Oberalppass-Chur), sowie zwei Großkabinen-Seilbahnen. Diese Fahren zunächst zur Bettmeralp (1900m), die eine nonstop, die andere mit Zwischenstop in Betten (1200 m). Von der Bettmeralp kann man die fahrt dann mit kleinen Kabinen auf das Bettmerhorn (2600 m) fortsetzen, von wo aus man laut meinem Reiseführer eine gute Aussicht auf den Gletscher haben soll.
Ich habe mich allerdings für den Hinweg entschlossen, mich zunächst zu Fuß auf den Weg zu machen, zumindest probeweise, solange meine Füße mitmachen. Zunächst ist alles unproblematisch, es geht eine kleine, stetig solide ansteigende, aber nicht zu steile Teerstraße aufwärts. Ich gewinne zügig Höhe und erreiche nach vielleicht knapp 2 km eine kleine Ansammlung von Häusern. dort endet die Straße und es geht nun auf einem kleinen Trampelpfad durch die Wiesen weiter, der dazu auch noch verdammt steil ist. Nach ein paar Metern, merke ich, wie sich meine Hacken allmählich in Wohlgefallen auflösen. Auf der Teerstraße war es sehr gut gegangen, aber nun, da der Hang steiler wird, drücken die Füße, obwohl meine Wanderschuhe 1a sitzen, doch zu sehr auf die Rückseite meiner Füße und scheuern die Blasen von gestern auf. Ich bekomme Zweifel, ob ich es weiter als bis nach Betten schaffe, oder ob ich nicht bereits ab dort die Seilbahn nehmen muss. Nachdem ich die Hacken mit Pflastern wieder notdürftig zusammengeklebt habe, geht es dann aber wieder - eigentlich sogar sehr gut. Kurz später erreiche ich Betten.
Betten ist ein kleines, sehr idyllisches Örtchen auf ca. 1200 m Höhe. Es besteht fast ausschließlich aus sehr schönen Holzhäusern und liegt abgelegen jeglichen Straßenverkehrs, allerdings gibt es eine kleine einspurige Teerstrasse hinab ins Tal. Ansonsten stellen die Seilbahnen hinunter zum Bahnhof und hinauf zur Bettmeralp die wichtigsten Verkehrsanbindungen dar. Ursprünglich war Betten überwiegend landwirtschaftlich geprägt. Im Winter wohnte man unten in Betten, im Sommer zog man mit dem Vieh hinauf auf die Alp. Dies änderte sich nach dem 2. Weltkrieg mit aufkommen des Tourismus. Die Bevölkerung des Ortes Betten ist heute, wie in vielen anderen Bergdörfern auch, total überaltert. Allerdings zog es die Jungen hier nicht - wie eigentlich üblich - hinab ins Tal, sondern hinauf auf die Alp, die, mittlerweile zu einer der größten Feriensiedlungen in den Walliser Alpen geworden, eine Vielzahl von Arbeitsplätzen bietet. Auch ich mache mich auf den Weg dorthin, dieser führt mich in weitem Bogen an Bimmelkühen und durch einen größeren Wald hindurch hinauf auf 1900 m Höhe.
Als ich ankomme ist es mittlerweile kurz nach Mittag, und so beschließe ich, die letzte Etappe per Seilbahn zu überwinden. Am Ortsrand der Hotelsiedlung besteige ich die Kleinkabinen bahn, die mich die letzten 700m überwinden lässt. Nach 14 Minuten komme ich an der Bergstation an. Von dort sind es nur noch ein paar Schritte bis sich mir der gewaltige Gletscher einige hundert Meter unter mir präsentiert, der es immerhin bis zum UNESCO-Weltnaturerbe geschafft hat. Nach ausgiebiger Brotzeit erklimme ich dann auf schwindelerregendem Pfad noch die letzten schätzungsweise 100 Höhenmeter hinauf zum Gipfel des Bettmerhorns. Der Rückweg geht dann komplett per Seilbahn von statten. Der Aufstieg per Rad zurück nach Fiesch erfordert dann zugegebenermaßen etwas Durchhaltevermögen. weiter...