Tag 11: Lang lebe deutsches Bier
Bei mäßigen Wetterverhältnissen und nach wie vor recht kräftigem Wind, dieses Mal allerdings aus der falschen Richtung, trägt Speedy mich weiter rhoneabwärts, Vorbei an Martigny nach Montreux, wo mich nach langer Zeit (nach Zürich) mal wieder ein wenig Urbanität erwartet. Montreux hört sich zwar teuer an, ich kann aber nicht bestätigen, dass man hier zwangsläufig viel Geld lassen muss, im Gegenteil, das Finanzbudget kann hier sogar unerwartet positiv beeinflusst werden. Auf einer Pause am Genfer-See-Ufer passiert es. Ein Araber kommt mit dem Grinsen, das in dieser Form wohl nur Araber beherrschen auf mich zu. Er ist relativ legere gekleidet, sieht aber durchaus wohlhabend aus.
"Hi, where are you from?"
"Northern Germany, but for the last one and a half weeks I've been on a Trip round Switzerland"
Ich zeige ihm die gefahrene Strecke auf der Karte und erkläre ihm meine bisherigen Stationen. Er selbst stammt, wie ich erfahre aus Saudi-Arabien und ist zu einem "medical check" in die Schweiz gekommen und genießt jetzt noch ein paar Tage Urlaub. Deutsches Bier findet er total toll, was mich dann doch etwas überrascht, da Saudi-Arabien ja ansonsten nicht so die Biertrinker Nation ist (Alkoholgenuss ist in Saudi Arabien streng verboten, der Handel steht meines Wissens nach sogar unter Todesstrafe...).
"Would it be Ok if I spend a drink for you?"
"Yes, of course, why not?"
Er greift in Seine Jackentasche, wo er offenbar einige lose Geldscheine stecken hat. Er zieht einen heraus und übbereicht ihn mir mit den Worten "for a drink". Ich schaue auf den Schein. 100 Franken. Ich schaue ihn zunächst etwas fragend an, und vermute, dass er sich mangels Erfahrung mit der fremden Währung im Schein vergriffen hat.
"That'll be a big drink..."
"Oh No, no problem, it's ok, no problem..."
Mmmmmhhh, na gut, wenn er meint... . Mangels Transportkapazität zum aktuellen Zeitpunkt wird ein Teil des Scheines später in Schaffhausen in 2 Flaschen schweizerischen Rotwein fließen.
Mit nun wieder recht gut gefülltem Portemonnaie fahre ich anschließend noch ein Stück weiter am Lac Leman entlang und überlege, ob ich mir in der Nähe einen Platz zum nächtigen suche, oder ob ich es noch bis in den Kanton Fribourg schaffe. Ich entschließe mich zu Variante 2, was zunächst mit einer seeeeeeeehrrrrrr langanhaltenden Steigung belohnt wird. Auf selbiger erwischt es mein Kettenverschlußglied, welches auf der einen Seite bricht. Ich verfluche die Kieler Fahrradgeschäfte, die mir somit nun zusammen mir den Bremsbelägen, die nach 500 km keine mehr waren, schon 2 kleine aber entscheidende Bauteile, die qualitativ unter aller Sau waren, verkauft haben. Von nun an wird die Kette also an einer Stelle nur noch auf der einen Seite zusammengehalten, was dem Fahr- und vor allem dem Schaltverhalten - nur sehr bedingt zuträglich ist. Da die Strecke zwischen dem stark besiedeltem Seeufer und Chatel-Saint-Denis, dem nächsten größere Ort nur von vereinzelten Gehöften gesäumt wird, habe ich zunächst keine andere Wahl, als kettenschonend weiterzufahren, sprich wenig zu schalten und viel zu schieben. Ich bin zwar, da die Sonne sich allmählich schon dem Untergang nähert, nicht allzu optimistisch in Chatel-Saint-Denis noch einen offenen Fahrradladen zu finden, da der Ort aber auch einen Campingplatz sein Eigen nennt, plane ich dort zu übernachten, und am nächsten Morgen mein Glück zu versuchen.
In der Dämmerung erreiche ich den Ort, der ungefähr die erwartete Größe aufweist. Der Campingplatz liegt etwas außerhalb, Die Rezeption ist unbesetzt und der Platz sieht nach einem fast reinen Dauercamperplatz aus. Ich beschließe nach kurzem Überlegen, zu versuchen, bis nach Gruyere weiter zu fahren. Auf dem Weg dorthin wird es dunkel, die Strecke führt durch ziemliche Einöde und relativ langweilige Landschaft. Alles in allem bin ich relativ froh, als ich es um kurz nach 22 Uhr nach knapp 110 km geschafft habe mein Zelt aufzubauen. weiter...