Tag 3: Per Schnellzug zum Gotthard
Der Tag beginnt mit Abbau im Regen und einer Anschließenden Abfahrt zum Zuger See. An dessen Westufer entlang geht des nach Küssnacht, wo ein ALDI die Möglichkeit bietet kostengünstig Proviant zu bunkern. Die Landschaft wird deutlich bergiger. Weiter geht es am Nordufer des Vierwaldstätter Sees entlang. Wäre das Wetter besser hätte man hier ein hervorragendes Panorama auf die südlich des Sees gelegenen Berge. So verschwindet allerdings alles in einer tiefhängenden zerfetzten Wolkendecke. Ich fasse den festen Beschluss, die Nacht in einer Jugendherberge zu verbringen, um Ausrüstung und Kleidung zu trocknen. Da die Berge immer näher kommen, möchte ich es nicht auf eine Erkältung ankommen lassen. Schließlich werde ich aufgrund meiner mangelnden Vorbereitung meine volle Kondition sicher gut gebrauchen können. Laut meiner Karte liegt die nächste Herberge in Gersau. Da ich dern Ort allerdings schon um 14 Uhr erreiche, der Checkin aber erst ab 16:30 Uhr möglich wäre, beschließe noch ich weiterzufahren. Ich setze darauf, dass das noch ca. 30 km entfernte Altdorf - immerhin Kantonshauptort - schon auch noch eine Jugendherberge sein Eigen nennen wird, auch wenn meine Karte gegenteiliges behauptet. Ich führe dies auf die mangelnde Qualität meiner Karte zurück.
Kurz hinter Brunnen macht der Vierwaldstätter See eine scharfe Rechtskurve und heißt ab dort Urner See. Da vor mir nun eine Felswand aufragt, beschließe ich dem See nach rechts zu folgen und biege auf die Axenstrasse ein. Diese führt kühn in den Fels gehauen immer am Ostufer des Urner Sees entlang. Die Schweizer haben sich hier nicht Lumpen lassen und alle Tunnel mit einer ca. 2,50 breiten Fahrrad-Autobahn ausgestattet - Zumindest dort, wo das Geld nicht dafür reichte einen eigenen Tunnel für den Radweg zu sprengen. Geschätzter Kostenpunkt für den radweg: Mindestens ein 7-stelliger Frankenbetrag. Toll...
Die nächsten 20 km sind somit quasi komplett überdacht, was sich in Anbetracht der Wetterlage als vorteilhaft erweist. Der letzte Tunnel endet kurz vor dem Ortsschild von Flüelen, einem Vorort von Altdorf. Ich suche die Touri-Info auf und versorge mich mit einem Unterkunftsverzeichnis, dass mir ziemlich deutlich klar zu machen versucht, dass der Titel Kantonshauptstadt nicht zwangsläufig heißen muss, dass in einem Ort etwas los ist. Es gibt sage und schreibe 4 Hotels, die allerdings alle sehr muffig aussehen. Ich entschuldige mich also zunächst bei meiner Landkarte, die mir dafür verrät, dass die nächste Herberge in Hospental zu finden ist, und dass es bis dort noch ca. 30 km und 1000 Höhenmeter sind. Ich checke kurz die Uhrzeit (18 Uhr), beschließe frustriert, dass es zu spät ist, um den Anstieg noch unter die Räder zu nehmen und frage mich dann zum Bahnhof durch. Dort erwerbe ich ein Fahrradticket, so wie eine Fahrkarte nach Andermatt. Leider hält der Schnellzug nicht im Kantonshauptort, sondern im unbedeutenden Vorort, wodurch ich zunächst eine Station mit der S-Bahn in die falsche Richtung fahren muss. Der Bahnhof von Flüelen ist toll - findet zumindest die SBB. Deshalb übersieht mich der Schaffner des kurz nach sieben mit für schweizerische Verhältnisse katastrophalen 10 Minuten Verspätung eingefahrenen Schnellzugs Richtung Chiasso dezent als ich mit meinem Fahrrad den Bahnsteig entlang in Richtung des Wagens mit dem Fahrradsymbols haste. Ich komme so in den Genuss mir den schmucken Bahnsteig noch ein Stündchen länger anschauen zu können. Beim nächsten mal bin ich schlauer und rekrutiere Dscherpas, die mir helfen sollen mein Gepäck einzuladen. So komme ich dann auch irgendwie in den nächsten Zug rein. Die SBB hat sich allerdings schon die nächste Schikane ausgedacht. Ich stehe im Eingangsbereich des Schnellzugwagens und überlege, ob dies wirklich das Fahrradabteil ist. Dann sehe ich links neben mir ca eine Quadratmeter Platz mit zwei Haken in etwa 2 m Höhe. Da soll ich mein Fahrrad ranhängen. Tolle Idee. Ich überlege mir, was passiert, wenn 3 Leute gleichzeitig ein Fahrrad transportieren möchten. Nachdem es mir in dem mittlerweile schaukelnden Waggon auf meinen mir zugewiesenen 0,5 Quadratmetern nach 3 Versuchen immernoch nicht gelungen ist, meine Felge mit dem Fleischerhaken zu vereinen, überlege ich mir dann auch noch, ob es jemals irgendwer geschafft hat, ein Fahrrad ordnungsgemäß zu transportieren. Ich stelle mein Fahrrad demonstrativ quer in den Gang und lasse den Schaffner rüberklettern. Dieser gibt überraschenderweise sein Ok zu dieser Art des Transports, wohl ahnend, dass er sonst derjenige wäre, der das Fahrrad aufhängen müsste und nicht könnte. Die Frage wäre somit auch beantwortet. Die wenigsten dürften es wirklich schaffen, die von der SBB vorgesehene Art des Transports zu realisieren. Nach einer Reihe von Kehrtunneln und Brücken auf der Gotthardnordrampe erreicht der Zug ca. eine halbe Stunde später mittlerweile in der Dämmerung den Bahnhof Göschenen. Kurz hinter dem Bahnhof sieht man bereits das Portal des Gotthardtunnels. Ich verlasse, da ich nördlich des Alpenhauptkammes bleiben möchte, den Schnellzug. Das restliche kurze Stück nach Andermatt und damit die letzten 300 Höhenmeter, soll ich mit einem zahnradunterstützten Zug der Matterhorn-Gotthardbahn zurücklegen. Dieser wartet bereits am Bahnhofsvorplatz. Allerdings nicht auf mich. Ich sehe ihn davonrollen, als ich die zweite von drei Fuhren Gepäck durch die Unterführung schleppe. Und so komme ich in den Genuss einer Vergleichsstudie der Bahnsteige Flüelen Gleis 2/3 und Göschenen Gleis 11. Allerdings fährt der nächste Zug dieses mal bereits nach 20 Minuten.
Nach Andermatt ist es dann in der Tat nicht mehr weit, und die dann noch mit dem Fahrrad zurückzulegenden 4 km bis nach Hospental machen den Kohl auch nicht mehr fett. Hospental ist ein kleines Örtchen mit einer kleinen Burgruine, einem kleinen Bahnhaltepunk, zwei Kirchen, wovon eine gar nicht so klein ist, und einer kleinen Jugendherberge. Da diese im Oktober nicht mehr allzu stark belegt ist, erlaubt mir Nathalie, die "Herbergsmutter", mein Zelt im Fahrradraum zum Trocknen aufzubauen. Gleiches passiert mit meinem Schlafsack, meiner Isomatte und den paar Kleidungsstücken, die ich die letzten 2 Tage getragen (ich war diszipliniert und konnte der sinnlosen Versuchung widerstehen, mir morgens was Trockenes anzuziehen...) habe auf dem Dachboden. Ich habe ein schnuckeliges 12-Bettzimmer für mich allein. weiter...