Arizona/Nevada 14.01.-25.01.2009
Tag 1: Anreise
Januar 2009. Um Viertel vor 4 klingelt es an der Tür. Es ist der Taxifahrer. Ich würde ihn erschlagen, hätte ich ihn nicht selber zu solch unmenschlicher Zeit bestellt. Jeder Richter hätte mich freigesprochen dafür, da bin ich mir ganz sicher. So habe ich keine Rechtfertigung dafür. Ich muss also wohl oder übel die Zähne zusammenbeißen. Als Entschädigung sitze ich wenig später im Mannschaftsbus des deutschen Rekordmeisers (Nein, es geht hier nicht um Fußball...). Dieser wird hin und wieder zweckentfremdet und als Flughafenzubringer auf der Strecke Kiel-Hamburg Flughafen verwendet. Keine 2 Stunden später bin ich stolzer Besitzer von - Running Gag - 3 (!!!) Bordkarten. Die erste gewährt mir Zugang zu einer Fokker 100, die um 20 vor 7 Hamburg als Flug KL 1776 gen Amsterdam verlässt. Die Strecke reicht gerade aus, um schnell einen komischen Teigklumpen mit dem, was der Holländer als Käse bezeichnet hinunterzuschlingen. Nach der Landung, wird am Boden gefühlt nochmal genausoviel Weg rollender Weise zurückgelegt, wie zuvor fliegenderweise. Die Aufforderung “Bitte bleiben sie auf Ihren Plätzen bis wir unsere endgültige Parkposition erreicht haben” bekommt hier allein dadurch einen Sinn, dass man ansonsten vor Erreichen selbiger vor Erschöpfung zusammenbrechen würde. Man könnte glatt den Eindruck bekommen, die Niederlande würden komplett vom Flughafen Schipol beansprucht. Nachdem ich den netten Amerikanern meine Lebensgeschichte, meine Schuhgröße und mein Bruttojahreseinkommen genannt habe und versichert habe, dass meine Digitalkamera in keiner Weise so manipuliert wurde, dass sie eine ernstzunehmende Gefahr für die Sicherheit der Nation darstellen könnte, erlauben sie mir, eines Ihrer Flugzeuge zu besteigen. Eigentlich ist es eines unserer Flugzeuge, nämlich ein Airbus A 330-300. Dieser ist noch sehr neu, was mir in den folgenden 9 Stunden so Annehmlichkeiten wie ein Bordentertainmentsystem mit umfangreicher Musik- und Filmauswahl beschert und mich auf Wunsch mit den aktuellen Positions- und Wetterdaten bespaßt. Flug NW 41 der Northwest Airlines beginnt mit einem Steigflug über die Grachten Amsterdams, weiter geht es dann mit Offshore-Windparks und Ölförderplattformen auf der Nordsee. Da sage noch jemand, das Mehr sei weit und offen.... Um kurz vor 12 gibt es über den Orkneys Mittagessen. Man hat Huhn kredenzt. Der Tomatensaft ist auch lecker. Island sieht von oben nett aus, der Blick auf Grønland wird leider durch Wolken verdeckt. Zur Einstimmung auf Amerika wähle ich aus dem Bordkinoprogramm “Cars” aus. Kurz darauf sehe ich zum ersten Mal in meinem Leben echtes Meereis über der Labradorsee. In Neufundland erreichen wir den amerikanischen Kontinent und gehen gegen Mittag Central Standard Time in den Landeanflug auf den Flughafen Minneapolis-St.Paul International über. Genau wie in Amsterdam sind es hier um die 0 Grad. Dennoch ist es hier gut 20 Grad kühler (im Land der unbegrenzten Möglichen ist es nämlich sogar möglich, dass es gleichzeitig genauso warm und 20 Grad kälter als anderswo in der Welt ist) und es liegt etwa ein halber Meter Schnee. Der Flughafen begrüßt mich mit Souvenirshops, in denen T-Shirts mit Botschaften wie “my President is black” offeriert werden. Mir ist bewusst, dass ich mit Betreten des Landes gegen ein mir gesetztes Ziel verstoße, nämlich solange nicht in die Vereinigten Staaten einzureisen, solange der Bush-Clan an der Macht ist. Ärgerlich, dass ich dieses Ziel nun an jenem 14. Januar 2009 um genau 6 Tage verfehlt habe. Wenige Stunden später. Ich komme mir ein wenig wie in dem 3-Wetter-Taft-Werbespott vor, als mir am späten Nachmittag Mountain Standard Time nach Verlassen des schon etwas in die Jahre gekommenen A320 der Northwest Airlines am Phoenix Sky Harbor International Arizonas Sonne aus wolkenlosem Himmel mit guten 70°F auf den Pelz scheint. Ich mache mich auf die Suche nach dem öffentlichen Personennahverkehr, was sich auf amerikanischen Flughäfen deutlich schwieriger gestaltet als man es aus good old europe gewohnt ist. Von Verbindungen mit Erreichen des Flughafens 10 Minuten nach Einstieg in den (in Phoenix übrigens nicht vorhandenen) Hauptbahnhof ist man hier jedenfalls gefühlt noch weiter weg als von der Einstellung des regulären Postkutschen-Verkehrs zwischen Scottsdale und Downtown Phoenix. Insbesondere der zu Dampflokzeiten noch zukunftsweisende Schienenverkehr der USA hat sich offenbar seit Anfang des letzten Jahrhunderts kontinuierlich zurück entwickelt. So besteige ich dann einen etwas antik anmutenden Stadtbus der “Valley Metro”, der mich immerhin bis zur nächsten Kreuzung bringt, wo ich umsteige. Nach einer gefühlten Dreiviertelstunde (wie lange es wirklich ist, kann ich nicht sagen, da die Erfindung des Aushangfahrplans sich auch noch nicht bis hierher durchgesprochen zu haben scheint), bringt mich Linie 70 immerhin schonmal bis zur Thomas Road, wo ich relativ schnell irgendwo in der Nähe der 47sten Straße das von mir gebuchte La Quinta Inn finde. Das von mir wenige Wochen zuvor reservierte Domizil erweist sich als gemütliches Appartment mit King Size Bett und Emperor Size Fernseher, was mich positiv überrascht, da ich eigentlich einfach das billigste noch verfügbare Hotel in akzeptabler Lage gewählt hatte. Sympathisch wirkt auch der den palmengezierten Innenhof schmückende Pool, doch um ihn einzuweihen wird wohl erst morgen Zeit sein. Heute muss erstmal noch nach Essbarem gejagt werden. Dazu mache ich mich nochmal kurz auf den Weg zum Fry's um die Ecke, wo ich mit einer Family Size-Tüte Tortillas, einem Sixpack amerikanischen Budweiser-Imitat (ich kann an dieser Stelle nach erfolgtem Selbstversuch bestätigen, dass diese Plörre WIRKLICH nix mit dem europäischen Budweiser zu tun hat...), sowie einer 500g-Dose Erdnussbutter (eben die kleinste verfügbare Gebindeeinheit) ein nahrhaftes und gesundes Frühstück für den folgenden Tag erstehen kann. Nach Rückkehr in meine Herberge muss ich dann nochmal arbeiten, und meinem Vortrag für den US Clivar Western Boundary Current Workshop am nächsten Tag vorbereiten, der den eigentlichen Grund meines Kommens darstellt. weiter...