The Hitchhiker's Guide to Ile-de-France/Champagne 07.-14.09.2010
Teil 1: Kiel-Paris
Wir schreiben das Jahr 2010 n. Chr.. Internationale Flughäfen sind überall gleich. Große moderne Terminalgebäude, perfekt durchorganisiert, übersichtlich, effizient. Moment – ALLE internationalen Flughäfen? Nein. Ein von unbeugsamen Galliern betriebener großer Luftverkehrshub ca. 40 km nördlich der heutigen gallischen Hauptstadt Lutetia hört nicht auf dem internationalen Prinzip von Ordnung, flughafenweit einheitlicher Beschilderung und einfacher Benutzbarkeit für Ortsunkundige Widerstand zu leisten. Eben dort, auf dem Aeroport de Rossy-Charles de Gaulle irre ich am späten Nachmittag des 7. Septembers von Terminal zu Terminal. Mein Ziel: Anne finden. Die ist gerade - genau wie ich kurz zuvor - auf dem Weg aus Hamburg eben hier her - oder auch schon hier, das weiß ich nicht genau, denn mein Lufthansa-Flug hatte leichte Verspätung. Anne kommt mit Air France, und in Folge dessen an einem anderen Terminal an. Leider verraten mir die Gallier nicht an welchem. Terminal 1 scheint ein wenig einem Science-Fiction-Roman aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entsprungen. Der Innenhof wird durch mit Rolltreppen bestückte Glasröhren überspannt, die die einzelnen Ebenen miteinander verbinden. Leider finde ich auf den Ankunftstafeln keine Air France-Flüge. Also auf in den People Mover und rüber zu Terminal 3. Wie ich feststelle, liegt die Haltestelle "Terminal 3, Rossypole" irgendwo im Nirgendwo zwischen Großparkplätzen. Hier werden die Franzosen wohl nicht ihren Flag Carrier abfertigen, sondern eher Ryanair- und Air Kongo-Flüge. Nächster Zug, weiter zu "Terminal 2, Gare"... und Bingo: Ein Air France Flug aus "Hambourg". Ich bin gerade noch rechtzeitig dort, denn auch die Franzosen sind nicht pünktlicher als die Kraniche. Für Blumen hat es dann aber doch leider nicht mehr ganz gereicht. Nach kurzer Begrüßung machen wir uns dann gemeinsam auf den Weg Richtung Innenstadt. Kein Problem, denn der Flughafen CDG ist perfekt an den Schienenpersonennahverkehr der Region Ile-de-France angebunden. RER-Linie B führt von hier aus direkt ins Pariser Zentrum - normalerweise jedenfalls. Leider ist der 7. September einer der Tage, an dem die RER-Fahrer französisches Kulturgut pflegen und ihrem gewerkschaftlich vereinbarten traditionell-rituellen monatlichen Streik durchführen. Was soll's. Der überteuerte Bus braucht über die (in Folge des Streiks) im Feierabendverkehr verstopfte Peripherique auch nur gut 1 ½ Stunden bis zur Oper. Im Woodstock - seit meiner Dublinreise 2008 das Hostel meines Vertrauens - ist in unserem reservierten Zimmer leider nur noch ein Bett frei. Da Anne und ich nicht auf einer 80-cm Hostelpritsche kuscheln wollen, bekommen wir kurzer Hand ein Zweibettzimmer für uns alleine zum gleichen Preis zugeschustert. Auch gut, auch wenn wir so leider um das Kennenlernen der anderen Hostelbewohner gebracht werden. Puh, nun aber erstmal schnell die spießige "deutsche" Vorstellung von Ordnung ablegen und irgendwo gaaaanz weit unten im Rucksack verstauen. Und überhaupt: BIENVENU EN FRANCE!!! Doch nun genug über die Gallier gelästert, denn wer es bis hierher geschafft hat, dem hat dieses Land einiges zu bieten. Unter anderem leckeren Rotwein zum Schnäppchenpreis. Da die Besteigung des Montmartres wegen eines Schlechtwettereinbruchs leider schon wenige Höhenmeter oberhalb des vorgeschobenen Basislagers abgebrochen werden muss, wird die erste Flasche dessen am Abend im Woodstock geleert. Santez! Nächster Tag. Dieses Mal gelingt es uns, bis zum Gipfel vorzudringen. Zur Belohnung gibt es einen herrlichen Ausblick über die Stadt, den auch der immernoch wolkenverhangen graue Himmel nicht wirklich trüben kann. Danach kommen wir zufälig an einer Salvatore Dali-Ausstellung vorbei, die Anne unbedingt sehen möchte. Ich bin zunächst eher skeptisch, da meine Kunstlehrerinnen in der Schule alles dafür getan haben, mich vor einem Leben als Kunstliebhaber zu bewahren. Ich lasse mich aber dennoch von Anne überreden und bereue es später kein Stück. Besonders der Elefant hat es mir angetan. Surrealistisch wie das wahre Leben! In Letzterem geht es mit dem öffentlichen Personennahverkehr weiter zum Place de la Concorde und von dort den Champs Elysee herunter. Das Mittagessen wird in einem kleinen tibetianischen Restaurant in einer Seitenstraße im Viertel um die Sorbonne eingenommen. Was genau wir da essen, offenbart sich uns ob unserer doch sehr beschränkten Kenntnis sowohl der französischen als auch der tibetianischen Sprache nur bedingt. Doch selbst wenn es sich wirklich wie befürchtet um frittierte Yeti-Hoden gehandelt haben sollte, so sei angemerkt, dass diese sehr schmackhaft sind. Nach vollendetem Schmaus geht es weiter am Louvre vorbei und anschließend zurück ins Woodstock, wo mit einer Flasche Äbbelwoi (der Franzose nennt das Zeug Cidre) auf den ersten Personenschaden der Reise angestoßen wird. Am Donnerstag hat die Sonne die Wolken weggestrahlt, so dass die Mühle am Bvd. de Clichy uns besonders rot in die Kamera entgegenleuchtet. Außerdem provoziert uns das Bombenwetter dazu, die Besteigung des Eiffelturms nachzuholen, nachdem diese am Vortag ins Wasser gefallen ist. Somit ist das touristische Pflichtprogramm erfüllt, und wir sind bereit, die Stadt zu verlassen. Dafür geht es am frühen Nachmittag zunächst mit der Metro zurück ins Woodstock, um unsere Rucksäcke aus dem Gepäckabstellraum abzuholen, und dann hinaus nach Hoche an der ostwärts aus der Stadt hinaus führenden Nationalstraße 3. Unser verwegener und im Folgenden auch verblüffend erfolgreicher Plan sieht vor, sich hier werbewirksam am Straßenrand zu platzieren, um von irgendeinem kühnen Wagenlenker nach Meaux transportiert zu werden. Dies funktioniert auch – und zwar fast schneller, als man den Daumen vollständig entfalten kann. weiter...