Tag 6: Grand Canyon zum Ersten
Am nächsten Tag mache ich mich nach dem Frühstück auf den Weg gen Grand Canyon. Am Ortsausgang passiere ich eine Tankstelle, die ich allerdings links liegen lasse, da Joe behauptet mit dem Inhalt seines Tanks noch knappe 100 Meilen zu schaffen. Die Fahrt geht durch Wald. Viel Wald. Sehr viel Wald. Verdammt viel Wald. Es geht Bergauf. Rechts und links der gut geräumten Straße liegen ca. 1 ½ Meter Schneeberge und irgendwann passiere ich ein Schild mit Aufschrift “elevation: 8043 feet”. Immernoch Wald. Irgendwann hört der Wald auf und ich passiere eine Farm. Kurz darauf geht es ein wenig bergab. Irgendwie erleichtert mich das ein wenig, da Joes Restmeilen-Countdown in den letzten Minuten in Richtung bedrohlicher Bereich gesunken ist. Es folgt eine steppenähnliche Landschaft und ca. 50 Meilen nach Ortsausgang Flagstaff rolle ich auf den Hof der Tankstelle an der Abzweigung US180/AZ64. Da die Tankanzeige kurz zuvor auf den status “fuel low” gesprungen ist, beschließe ich, das erste Mal in meinem Leben ein Kraftfahrzeug zu betanken. Doch was tankt ein Pontiac G6? Ich suche den von europäischen Mietwagenanbietern gewohnten Hinweis auf dem Schlüssleanhänger... nix. Vielleicht ein Aufkleber an der Tür?... nix. Ein dezenter Hinweis auf dem Tankdeckel? … nix. Na gut, dann befragen wir eben die Betriebsanleitung, die im Handschuhfach liegen wird... oder auch nicht. Da Diesel hier teurer ist als Benzin, beschließe ich, dass wohl niemand so dumm sein wird, rote Flitzer mit Dieselmotor zu bauen, und greife zum Zapfhahn, dessen Ergüsse der Oktanzahl nach aus so etwas wie Super bestehen müssen. Rückblickend scheint Joe dies zumindest nicht akut geschadet zu haben, denn er erfreute sich meiner fachunkundigen Einschätzung nach bei Abgabe noch immer bester Gesundheit. Bester Gesundheit erfreute sich auch meine Kreditkarte nach erfolgter Treibstoffaufnahme, denn die auf den ersten Blick nicht allzu ungewohnt scheinenden Preise auf der großen Tafel vor der Tanke sind zum einen in Dollar und zum anderen für Gallonen derer vier mich knappe 8 $ kosten. So macht die Vergeudung fossiler Brennstoffe Spaß... Kurze Zeit später erreiche ich den letzten Drive-In vor der Schlucht, statte mich im gegenüberliegenden Souvenirladen mit Shirts und Pullover aus und passiere um 1:27 p.m. Mountain Standard Time die Mautstelle am Eingang zum Grand Canyon National Park. Die 25 US-$ Eintritt für Joe scheinen zunächst recht happig, ist man doch von zu Hause gewohnt, dass Nationalparks für umsonst zu haben sind. Der Preis relativiert sich aber, als ich feststelle, dass es sich quasi um eine all-inclusive-Wochenkarte, die mir (und allen anderen imaginären Insassen Joes) 7 Tage lang Zugang zu allen Einrichtungen des Parks (und davon gibt es so einige) gewähren würde, unter anderem zu dem großen Parkplatz auf dem ich Joe ca 5 Meilen später parke. Ihn verlassend ahne ich noch nicht, dass es direkt hinter dem nächsten Busch einen Kilometer abwärts geht. “No matter how much you read about the Grand Canyon or how many photographs you've seen, nothing really prepares you for the sight of it”. Diese Aussage meines Lonely Planets erscheint keines wegs zu hoch gegriffen, wenn man an der Schluchtkante steht und irgendwo gute 3000 Fuß weiter unten immer mal wieder Colorado River zwischen rostroten Felsen hervor luken sieht. Ich begebe mich auf eine Wanderung entlang der Canyonkante. Hin und wieder muss ich dabei mächtige Eisplatten überqueren, die Sonne leistet hier bei 36°N allerdings schon gute Arbeit und so ist es trotz jeder Menge Schneeresten und einem recht eisigen Wind einigermaßen gemütlich. Zu dem schönen sonnigen Tag gesellt sich hinter jedem Krüppelstrauch ein neuer Aussichtspunkt, wobei sich die Imposanz der Panoramen immer wieder aufs Neue selbst übertrifft. Die Landschaft erscheint irgendwie vertraut, kennt man sie doch von den erwähnten tausenden Fotos, die verzweifelt versuchen das Gesehene zu konservieren; gleichzeitig hat die Szenerie jedoch etwas fremdes, surreales, marsähnliches. Im Grand Canyon Village besuche ich eine kleine Ausstellung zur Geologie und Biologie des Grandcanyons. Nach ein paar Meilen Fußmarsch mache ich mich mit dem die Touri-Siedlung erschließenden Shuttlebus auf den Weg zurück zum Parkplatz. Die am Parkeingang erhaltenen Infoblätter kündigen einen baldigen Sonnenuntergang an. Diskussionen über die Wahl des richtigen tollsten spektakulärsten schönsten einzig wahren Sunsetpoints füllen vermutlich schon etliche Dissertationsschriften und mindestens 5 Exabyte Webspace. Ich habe mich für den Klassiker “Hopi Point” entschieden. Zumindest wenn man wie ich in der Nebensaison da ist, kann dieser durchaus empfohlen werden. In der Saison dürfte es hier allerdings recht überlaufen sein. Nachdem die Sonne irgendwo weit weg hinter dem Horizont der endlosen Weiten des Westens verschwunden ist mache ich mich auf den Weg zurück richtung Flagstaff und beschließe den Tag mit einem Schlummertrunk und einem warmen Mahl ausklingen zu lassen. Im Hostel empfiehlt man mir zu diesem Zweck die Beaver Street Brewery. Nicht ahnend, dass ich dort noch an jenem Abend die Feinheiten des “Arizona State Laws” kennen lernen sollte. “Your passport please...”. Die Aufforderung des Kellners, meinen Pass vorzuzeigen, betrachte ich zunächst noch als ein wenig schmeichelhaft, sieht man mir doch anscheinend nicht an, dass ich meine 21 Lenze schon vor einiger Zeit abgehakt habe. Ich zücke lässig meinen Perso, nichtsahnend, dass man/ich mich gerade um mein Feierabend-Bier bringt/bringe. Eine ID-Card würde nicht ausreichen, versichert man mir. Hier in Arizona steht es eben irgendwo geschrieben, dass man Bier nur gegen Vorlage des Passes ausgehändigt bekommt. Dummerweise liegt mein Reisepass im Hostel. Auch wenn das Auge des Gesetzes mit Sicherheit schon längst seinen Sheriff-Stern gegen die Hauspantoffeln getauscht hat, bleibt man gesetzestreu. Da helfen weder ein guter Deutscher Personalausweis, noch ein knapp 9 Jahre alter Führerschein mit EU-Sternchen drauf (der Umstand, dass man hier 5 Jahre vor seinem ersten Kneipenbesuch über die Highways brettern darf, wird mir erst später bewusst) ... . Ich beschließe also den Abend mit einem kleinen Stadtbummel, entdecke dabei an der Route 66 einen verlockend wirkenden Outdoor-Laden und warte auf dem Rückweg zum Du Beau eine gefühlte Ewigkeit an der Bahnschranke mitten im Ort darauf, dass eine von 4 dröhnenden Dieselloks geschleppte knappe Meile Güterzug an mir vorbeigerollt sind. weiter...