Tag 8: Von Flagstaff über die Route 66 nach Las Vegas
Am nächsten Tag heißt es Abschied nehmen vom Grand Canyon International. Sollte ich mal wieder in der Gegend sein, werde ich aber mit Sicherheit wieder vorbeischauen. Nach überqueren der Gleise des Southwest Chiefs biege ich nach Links auf die US66 ein, die mich zunächst aus Flagstaff heraus, und dann auf die Interstate 40 führt. Nach einigen Kilometern Interstate vereitelt eine 1 Meter hohe Schneeauflage meinen Versuch, das nächste noch erhaltene Stück der Route 66 unter die Räder zu nehmen. Eine Ausfahrt weiter klappt es dann jedoch. Die Deer Farm Road belohnt mich mit einer Extraportion roter Schotter, mit dem Joe sich nun endlich mal so richtig einsauen kann. Damits nicht langweilig wird, gibt es zwischendurch immer mal wieder ein paar Passagen mit dicker festgefahrener Eisauflage. Nach einem kurzen Interstate-Intermezzo erreiche ich wenige Meilen später den Ort Williams. Joe hat sich nun eine kleine Pause verdient und so parke ich ihn in der Nähe der Touristinfo am Straßenrand, um das schmucke klischeekonforme Städchen ein wenig zu Fuß zu erkunden. Auf Empfehlung eines Einheimischen besuche ich die Wild West Junction, eine kleine Westernstadt mit einem kleinen Museum, dessen Repertoire an Ausstellungsstücken von der Bärenfalle über diverse Colts und Opiumpfeifen bis hin zu einem Frisörstuhl reicht. Nachdem ich mich hinreichend an diesem wildwestlichen Kleinod ergözt habe, setze ich meine Fahrt auf der Interstate fort, die mich zu meinem nächsten Halt in Seligman führt. Auch hier gibt man sich größte Mühe, allen Klischees gerecht zu werden. Ein Motel mit Neonröhrenleuchtreklame reiht sich an das nächste und zur Krönung gibt es noch einige trashig ausgestattete Diners, allerdings wirkt die ganze Szenerie recht ausgestorben und irgendwie fast ein wenig gespenstisch. Hinter Seligman beginnt der längste zusammenhängende noch erhalten gebliebene Teil der 66. Meilenweite Geradeausabschnitte, fast immer fällt das Ende der sichtbaren Straße mit dem Horizont zusammen; absolute Einsamkeit, kaum Verkehr. Immer wieder erwische ich mich, wie die Tachonadel in absoluter Ignoranz des 65 mph-Speedlimits auf 80 klettert. Hin und wieder bereichern unendlich lange Güterzüge die Szenerie. Einige Meilen hinter Peach Springs wird es nach Durchquerung eines kleinen Höhenzuges noch staubiger und das öde Grasland weicht den ockertönen der Mojavewüste. Skurilerweise fängt es ausgerechnent hier an, leicht zu regnen. Im Übrigen der erste Niederschlag, den ich seit Betreten des amerikanischen Kontinents zu Gesicht bekomme. Es bleibt allerdings bei homöopathischen Dosen und der Spuk hat nach wenigen Minuten ein Ende. Circa 2 Fahrstunden seit Seligman, bei Laune gehalten von einem der ca 100 Radiosender, die Joe mir anbietet, erreiche ich bei Kingman wieder so etwas wie Zivilisation. Mein erster Stop gilt einem Fastfoodtempel. Der unmittelbar daneben gelegene Truck Stop ist auch noch ein Foto wert. Es ist mittlerweile bereits Nachmittag, und mein Tagesziel noch knapp 200 Meilen entfernt, weshalb ich mich zügig wieder auf die mittlerweile als gute alte Bekannte zu betrachtende I-40 begebe, allerdings nur um Kingman zu umrunden. Am anderen Ende verlasse ich den Freeway wieder und setze die Fahrt auf Highway 93 in nordwestlicher Richtung fort. Das Schild “next services 75 miles” am Ortsausgang von Kingman lässt mich erahnen, dass ich Joes Bordradio wohl in den nächsten 1 ½ Stunden noch gut fordern werde. Als ich die 93 nach ca 10 Meilen bei Chloride kurz verlasse, um im dort befindlichen ältesten durchgehend betriebenen Postamt der Vereinigten Staaten eine Postkarte an die Liebsten im fernen Europa einzuwerfen, habe ich noch nichts passiert, was im weitesten Sinne etwas mit einer Kurve gemein hätte. Wie ich nach Abschluss des Exkurses feststelle sollte sich daran auch die nächsten 20 Meilen im Wesentlichen nicht ändern. Zeit für ein paar extravagantere musikalische Experimente: Auf Elvisradio laufen – wer hätte es gedacht – ununterbrochen Songs des Kings. Würde er nicht noch leben, so würde er vermutlich spätestens hierdurch aufgeweckt werden. Auch die feine Auswahl an biblisch motivierten Sendern (“Catholic Radio”) bin ich aus meiner Heimat eher nicht gewohnt... Hoppla, eine Baustelle! Ende der Ausbaustrecke... Kurven... Berge... ein Polizeiposten??? Das kenne ich bisher nur aus der Türkei. Man schaut mir kurz in Joes mit Chocolate Chip Cookies vollgekrümelten Innenraum, dann darf ich weiter fahren. Anscheinend sehe ich trotz Zottelhaar und Vollbart unverdächtig aus. Wenige Meilen später ein Stau. Dieses betrachte ich in Kombination mit den Unmengen an Beton, die die Felswand, von der sich die Straße in engen Kehren herabschlängelt mit dem gegenüberliegenden Pendant verbinden als untrügliches Zeichen, dass ich den Hooverdam erreicht habe. Die Autoschlange schiebt mich an allen verfügbaren Parkplätzen vorbei und schwuppdiwupp ist es auf einmal eine Stunde früher. Nachdem ich irgendwo im Gegenhang eine Wendemöglichkeit gefunden und das Betonmonstrum ein weiteres Mal gequert habe, mich somit also wieder in der Mountain Standard Time Zone befinde, wird Joe zunächst auf dem ersten verfügbaren Parkplatz ein Päuschen gegönnt und eine weitere Zeitreise per pedes unternommen. Einmal vom Damm geguckt, dann wird es allerdings schon dämmerig und die zahlreichen Polizeistreifen deuten darauf hin, dass es Schlafensgehzeit ist, und man nun lieber nach Hause gehen sollte, möchte man die Nacht nicht in einem Zeltlager in der Karibik verbringen. Also rein in Joe, rüber über den Damm, den Berg rauf, ein paar Kurven und ein einmündender Highway von Links, der jede Menge Verkehr mit sich bringt, was die Straßenbaubehörden beschließen lassen hat, die Straße ab hier wieder 4-Spurig zu führen. Und dann eröffnet sich, zu diesem Zeitpunkt noch vollkommen unerwartet, hinter einer unscheinbar wirkende Kuppe urplötzlich ein gigantisches Lichtermeer vor mir. Leider vergönnt mir der Freeway adequate Fotomöglichkeiten. Welcome to faboulus Las Vegas... Nachdem ich die endlose Vorstadt auf dem Freeway durchquert habe, verlasse ich selbigen an der Ausfahrt “Downtown Las Vegas”. Ein Straßenschild signalisiert mir, dass ich auf den Las Vegas Boulevard einschwenke. Das lassen Joe und ich uns nicht zweimal sagen und zum krönenden Abschluss unseres gemeinsamen Teil des Abends cruisen wir noch einmal den gesammten Strip hinab. Anschließend geht es zurück gen Norden, die anvisierte Bleibe für die kommenden zwei Nächte, das Sin City Hostel, befindet sich direkt am Strip, ziemlich genau in der Mitte zwischen den beiden Hot Spots, der Downtown im Norden und dem Hotelviertel im Süden. Das Hostel ist einfach und zweckmäßig, etwas karg eingerichtet, aber sauber. Nachdem ich “eingezogen” bin, mache ich mich zu Fuß noch einmal auf den Weg südwärts, also dorthin, wo es bunt und schön laut ist. Viva Las Vegas. Der Abend endet mit der Fontänenshow am Hotel Bellaggio. Irgendwann übermannt mich dann aber doch die Müdigkeit und der Mini-Jetlag und so finde ich mich um Mitternacht herum wieder im Hostel ein, um mich zur Nachtruhe zu betten. weiter...