Tag 5
Am Freitag habe ich mich mittlerweile etwas orientiert. Dank der segensreichen Erfindung des Internet-Cafes bin ich seit dem Vortag von einem Freund mit Tipps fur den Paris-Reisenden versorgt. Unter diesen findet sich unter anderem eine Stadtführung zu der ich mich am Freitag morgen am Brunnen auf dem Place St. Michel einfinde. Das gute an der Führung: Sie ist absolut gratis. Der Guide arbeitet vollständig auf Basis von Trinkgeldern, eine Geschäftsidee, die durchaus erfolgreich ist, jedenfalls solange man seine Sache so gut macht, wie Pieter an jenem Tag. ü Rest des Nachmittages vertreibe ich mir am Champs-Elysees, da für abends noch Großes geplant ist. Entgegen aller meiner Vorbehalte gegenüber Kunstmuseen, haben meine Freunde mich zu einem Besuch des Louvre übereden können. Ich habe dies für jenen Abend vorgesehen, da für alle unter 26-jährigen an jenem Mittwochabend von 18 bis 22 Uhr der Eintritt frei ist. Ich kann also nicht viel falsch machen, als ich mich um kurz nach 6 in die lange Schlange vor der Glaspyramide einreihe. Sie sieht schlimmer aus als sie ist, es geht beständig vorwärts und keine Viertelstunde später liegt mein Rucksack auf dem Röntgengerät der Sicherheitskontrolle am Eingang. Danach geht es per Rolltreppe in den Keller der Glaspyramide, wo ich mich in einem Gewirr aus zig Sprachen und umringt von Ticket-Countern wiederfinde. Es geht in 4 Richtungen weiter. Da ich von Kunst absolut keine Ahnung habe, entschließe ich mich der Beschilderung Richtung ägyptische Abteilung zu folgen, da sich das irgendwie am exotischsten und somit am interessantesten anhört. Kurz darauf komme ich an eine weitere Kontrolle, an der ich zur Alterskontrolle meinen Perso vorzeigen muss. Urplötzlich beschleicht mich ein ungutes Gefuhl: Die Gepäckkontrolle, das internationale Flair, die Rolltreppen, der moderne Glasbau am Eingang, die Ticket-Schalter, die Ausweiskontrolle,... hatten wir das nicht alles ziemlich genau so schonmal? Ich sehe vor meinem geistigen Auge schon, wie man mich gleich nach meiner Louvre-Boarding-Card fragt um mich kurz darauf auf die Straße zu setzen. Vorsichtiger Optimismus kommt erst wieder auf, als ich nach Passage eines kurzen Ganges einen Ausstellungsraum mit Sphinxen und Mumien erreiche. Willkommen im Ägypten vor 4000 Jahren. Der Rest ist auch deutlich spannender als ich mir ein Kustmuseum vorgestellt hatte. Vorwiegend deshalb, weil es hin und wieder Bilder gibt, die sogar mir bekannt vorkommen. Zum Beispiel dieses
oder dieses extrem beeindruckende Werk des Herrn Veronese mit der Größe der Fassade eines handelsüblichen Einfamilienhauses:
Letzteres hängt übrigens - marketingtechnisch ungünstig - gegenüber von einem sehr unscheinbaren kleinen Bild mit einer grinsenden Frau. Ziemlich unspektakulär eigentlich - erst recht im direkten Vergleich mit der Hochzeit zu Kana. Trotzdem wird aus irgendeinem Grund ein unglaublicher Hype um genau dieses Bild gemacht. Ich werd nie verstehen, warum einige Leute fur einige Bilder einige Milionen Euro bezahlen wurden, während andere viel hübschere für einige Hunderter zu haben sind. Aber seht selbst: