Tag 2
Noch vor dem Morgengrauen des nächsten Tages ist Bruxelles-Gare du Nord erreicht. Dies scheint eine Art Umsteigeknoten im Eurolines-Netz zu sein. Trotz der inhumanen Uhrzeit herrscht reges Treiben. Reisende mit Koffern wechseln innerhalb der Armada der soeben eingefahrenen Reisebusse hin und her. Nachdem der Trubel vorüber ist, und wir uns wieder auf irgendeiner traditionsgemäß mit Flutlicht ausgeleuchteten belgischen Autobahn befinden, schlafe ich wieder ein.
Es ist kurz nach 8. Ich befinde mich noch im Halbschlaf. Draußen wird es gerade hell. Mit noch leicht verschwommenen Blick lese ich - in einem Sessel eines dänischen Reisebus sitzend - auf der Tafel rechts der Autobahn die aufschrift “Bienvenue en France”. Ich versuche zu verstehen, was gerade vor sich geht. Obwohl ich mir relativ sicher bin am Vortag keine größeren Mengen Alkohol oder andere berauschende Mittel zu mir genommen zu haben, kommt mir die Situation etwas surreal vor. Davon unbeeindruckt donnert der Reisebus weiter die Autoroute du Nord entlang, während die Kilometertafeln mich nach und nach davon überzeugen, dass ich mich beständig der französichen Hauptstadt nähere. Dieser Verdacht erhärtet sich, als wir alsbald auf die Peripherique einschwenken. Um kurz nach neun spuckt der Reisebus mich in den Katakomben einer etwas schmucklosen Parkgarage aus, die als Busterminal Galieni vermarktet wird. Da stehe ich nun also, im Kopf einen Plan für eine Woche Sightseeing in Irland, im Rucksack ein Taschenwörterbuch Englisch-Deutsch und den Baedecker Irland...
Und nun? Ich spreche eine mit mir zusammen dem Bus entstiegene, mit Rucksack und Gitarrenkoffer ausgestattete Frau meines Alters an, die so aussieht, als ob sie einen Plan hätte - oder zumindest kein Problem damit hätte, keinen zu haben. Wo wir hier so genau sind, hat sie auch noch nicht rausgefunden. Wir kommen aber zusammen zu dem Schluss, dass unsere Hostels beide irgendwo in der Nähe vom Montmartre liegen, und die Metro ein gutes Mittel sei, um dorthin zu kommen. Dass das Ticket einmal quer durch eine 10 Mio-Einwohnermetropole keine zwei Drittel dessen eines einfachen Bustickets im 200.000-Einwohner-Kaff Kiel kostet, macht den etwas tristen Eindruck der dunkeln Tiefgarage, mit der mich die Stadt willkommen geheißen hat, wieder wett. In der dahinrumpelnden Metro haben Rana und ich etwas Zeit uns uber unsere bisherigen Reiseerlebnisse auszutauschen, wobei Rana schon etwas länger unterwegs ist als ich, nämlich 5 Monate. Nach zweimaligem Umsteigen trennen sich unsere Wege nach austausch der E-Mail-Adressen an einer Metro-Station am Montmartre. Nun beginnt die Suche nach der Adresse, die ich am Vortag in Bremen flüchtig auf irgendeinen Zettel zwischen meinen Flugtickets gekritzelt hatte. Am späten Vormittag checke ich im Hostel Square Coulaincourt ein. Nachdem ich mein Bett in einem mit Dusche ausgestatteten 4-Bettzimmer bezogen habe, geht es Richtung Innenstadt. Aber in welche Richtung ist die?
Wie ich etwa ein Dreiviertelstundchen später feststelle, habe ich mich für die falsche der zwei Richtungen entschieden. Was soll's. So lernt man jedenfalls auch mal die Pariser Vorstadt kennen. Das Viertel durch das ich schlendere sieht etwas unnobel aus. Nicht wirklich schlimm, aber zumindest auch nicht so, dass es mich reizt, länger hier zu verweilen. Ich beschließe, dass ich einen Stadtplan benötige. Den Rest des Tages schlendere ich uberwiegend im Bereich der östlichen Innenstadt, irgendwo zwischen Louvre, Tullerien und Oper herum. Am Abend mache ich mich auf den Weg zurück zum Montmartre, bevor ich mich allerdings ins Hostel zurück schlumpfe, um mich zur Ruhe zu legen, mache ich noch einen Schlenker an Sacre Coeur vorbei. Das Panorama, das sich mir trotz des Tagsüber etwas grauen Wetters von oben bietet, ist eindeutig zu beeiendruckend, um es hier in Worten wiederzugeben. Lassen wir es deshalb, und verweisen auf die später noch zu zeigenden Bilder. weiter...