21.09.2011, 23:49, Bahnhof Shinagawa, Tokyo - später weiter im Sakuragicho Washington Hotel Yokohama
Wie es aussieht sitze ich fest. Dabei dachte ich es so gut wie geschafft zu haben. Eigentlich dachte ich Roke schon im Norden Honsus zu treffen. Doch dort gab es maximal normalen Herbstregen. Kaum hatte ich die Postkarten mit Inhalt "Ist alles gar nicht so schlimm, man hat kaum was gemerkt" zuende geschrieben, machte der Shinkansen dann doch noch einen Außerplanmäßigen Stopp in Shin-Shirakawa, ca. 200 km nördlich Tokios. Und da standen wir dann erstmal eine kleine Ewigkeit im Bahnhof. Nach ca. 2 1/2 Stunden ging es dann weiter. Um halb 10 rum traf mein Shinkansen in Tokyo ein. 2 1/2 Stunden Verspätung von Sapporo bis Tokyo, auf einer 1200km Strecke. Geht ja noch, dachte ich mir noch. Von hier hätte es dann eigentlich nur noch ein Katzensprung bis Yokohama sein sollen. Ca. eine halbe Stunde mit der Vorortbahn, so war der Plan. Zunächst ging das auch noch ganz gut. Ein Zug der richtigen Linie stand schon bereit, ich also rein. Zwar nur ein Stehplatz, aber watt solls, ist ja nicht so weit. An der nächsten Station stiegen dann nochmal kräftig Leute zu, so dass es schon eher kuschelig wurde. Als wir dann an der zweiten Station, Shinagawa, ankamen, stand dort der Bahnsteig wirklich bis auf den letzten Quadratzentimeter voll. Es konnten nochmal 5 Leute hineingequetscht werden, was in anbetracht der Situtaion auf dem Bahsteig aber wohl eher ein Tropfen auf den heißen Stein war. Bei den letzten, die noch in den Waggon drängten, lief dass dann so ab, dass sie sich mit beiden Händen am Türrahmen abstützen, um den Inhalt des Zuges noch einmal nachzuverdichten. Wie auch immer, der Zug stand dann erst einmal eine ganze Weile da, und es ging nicht weiter. Irgendwann kam eine Durchsage auf Japanisch, dann ein sarkastisches Gelächter und eine nicht unwesentliche Zahl an Leuten fing an auszusteigen. Ich hab mich da dann einfach mal angeschlossen, da ich eh Bedenken hatte, es mit meinem Koffer und Rucksack in Yokohama nicht raus zu schaffen, sollte die Tür auf der gegenüberliegende Seite dort aufgehen. Am Fahrkartenschalter versicherte man mir dann auch, dass der Betrieb auf meiner Linie erstmal eingestellt sei. Ich könne nach Yokohama jedoch die U-bahn nehmen, die würde wohl noch fahren. Nett gesagt, aber leider total utopisch: Shinagawa Station war bereits von einigen Zehntausend gestrandeten Reisenden bevölkert. Überall saßen Leute in den Warteräumen und auf dem Fußboden und vor den Niedergängen zu den Bahnsteigen hatten sich zum Teil hunderte Meter lange Schlangen bis hinaus auf die Straße gebildet. Die Polizei versuchte die Menschenmassen mit Megaphonen in halbwegs geordnete Bahnen zu leiten. Wirklich beeindruckend zu sehen, was es bedeutet, wenn der öffentliche Nahverkehr einer 40 Millionen Einwohner Metropole zusammen bricht. Ich denke, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Leute die Nacht auf dem Bahnhof verbringen wird. Ich hatte mich da auch schon mental drauf eingestellt, und mich schonmal vorsorglich beim nächsten noch offenen Supermarkt mit Bier und was zu Essen eingedeckt, solange es noch was gibt. Allerdings stellte ich dann später fest, dass die Situation an den Ticket-Gates zu den Shinkansen-Bahnsteigen noch sehr entspannt aussah. Da ich dort mit meinem Japan Rail Pass auch problemlos Zugang bekommen konnte, dachte ich mir, ich schau mal wie es dort an den Zügen aussieht. Der Shinkansenbahnhof Yokohamas ist zwar etwas weit weg von meinem Hotel und eigentlich an der falschen Linie, aber immerhin deutlich besser und näher als Shinagawa, und zur Not hätte man den Rest von dort in 1 1/2 Stunden zu Fuß laufen können. Der Versuch war erfolgreich, denn nach circa einer weiteren halben Stunde fuhr wirklich ein Shinkansen richtung Shin-Yokohama raus. Der hatte zwar 3 1/2 Stunden Verspätung (und das an der zweiten Station), aber das war eh egal, denn sämtliche Sitzplatzreservierungen, die eigentlich im Shinkansen obligatorisch sind, waren eh hinfällig und der Zug somit komplett als "unreserved" ausgewiesen. Hauptsache irgendein Zug in die halbwegs richtige Richtung. Von Shin-Yokohama fuhren dann sogar ziemlich regelmäßig und mit nur ner Viertel Stunde Verspätung Züge in Richtung Innenstadt Yokohamas und somit in Richtung meines Hotels. Somit konnte ich es mit nur 6 Stunden Verspätung insgesamt schaffen. Verglichen zu den Leuten, die in Shiganawa auf die Wiederaufnahme des S-Bahnverkehrs warten mussten war ich damit aber vermutlich noch sehr sehr gut dabei. weiter...