17.09.2011, 23:21, Chisun Grand Sapporo
Nachdem ich gestern Abend nicht mehr sonderlich motiviert war, den Computer abends noch einmal anzuschmeißen, hier ein kurzes Update der letzten 2 Tage: Gestern war an sich ganz spannend. Am Vormittag hab ich noch ein bißchen an meinem Vortrag rumgewurschtelt, außerdem haben die Kollegen mir das Universitätsmuseum gezeigt. Dieses präsentierte historische Dokumente über die Geschichte der Hokkaido Universität und Ausstellungen zu den aktuell und traditionell bedeutenden Zweigen ihrer Forschung. So gab es unter anderem eine recht imposante Schmetterlingssammlung, diverse Steine und Fossilien und vieles mehr. Dem ausgestellten Nilpferd ging es leider nicht mehr so gut. Jedenfalls lässt der Umstand, dass sein nackter Schädelknochen in einer Glasvitrine lag dies vermuten. Zum Mittagessen ging es dann zum Chinesen. Eigentlich ja nicht so mein Ding in Deutschland, aber hier kann man sogar chinesisches Essen ertragen, denn es ist doch irgendwie deutlich leichter als in Deutschland. Irgendwie schon interessant, wie sich die Küche dann doch immer den Ansprüchen der Klientel im jeweiligen Land anpasst. Nach dem Essen wurde ich von den Kollegen aus meiner Gastgebergruppe an der Graduate School of Science dann zum "Institute of Low Temperature Science" begleitet, wo mein Seminarvortrag stattfinden sollte. Trotz totaler Übernächtigung hab ich mich dabei wohl zumindest nicht total blamiert - glaub ich jedenfalls. Nach dem Vortrag folgten dann Einzelgespräche mit Leuten aus dem Institut, in denen diese mir kurz ihre Arbeit vorgestellt haben. Schwerpunkte des Instituts sind das Okhotskische Meer, zu dem vielfälltige Modellierung der Strömungs- und Eisdynamik betrieben wird, außerdem sind polares Meereis und Tiefenwasserbildungsprozesse in der Antarktis ein Thema. Alles ein bißchen was anderes, als das was ich mache, aber somit hatte ich den Nachmittag die Gelegenheit, sehr viel neues zu lernen. Anschließend wurde ich von den Kollegen zum Abendessen eingeladen (da kann man sich auch irgendwie hier nicht gegen wehren), wofür es in ein kleines, sehr nettes japanisches Restaurant ging. Es gab ein "All you can Eat"-Menü mit Lamm Dhingis-Khan, einer lokalen Spezialität Hokkaidos als Grundlage. Das Besondere hierbei ist, dass das Fleisch roh an den Tisch gebracht wird, und man es dort auf einem kleinen Grill selbst brät. Neben Lamm gab es auch noch diverse andere Sorten Fleisch und Oktopus und beim ein oder anderen Bier wurde sich reichhaltig über Themen jenseits der Forschung ausgetauscht. Und falls nächses Mal doch ein Fahrrad im Gepäck Platz finden sollte hab ich fürs nächste Mal auch schon eine Tourverabredung, denn einer der Kollegen offenbarte sich als begeisterter Fahrer von Touren um 100 km Länge :-D Heute ist dann irgendwie ein wenig ins Wasser gefallen. Nachdem ich gestern fatalerweise beschlossen hatte, keinen Wecker zu stellen, war es kurz nach 11 als ich aus meinem 12-Stunden Schlaf erwachte. Trotz Verzicht auf Frühstück war ich somit erst kurz nach Mittag am Bahnhof und stellte dann zu allem Überfluss fest, dass Niseko, der kleine Onsen-Ort in den Bergen, der mir gestern von einem der Kollgen empfohlen wurde, leider nur per längerer Fahrt mit einem "Local"-Zug zu erreichen ist. Hierzu ist zu sagen, dass es in Japan diverse Zuggattungen gibt, die sich in der Vorankommensgeschwindigkeit so eklatant unterscheiden, wie kaum irgendwo sonst. Solange man sich auf einer Shinkansenstrecke bewegt, ist man wahnsinnig schnell. Selbst mit Zwischenhalten schafft man in aller Regel eine Durchschnittsreisegeschwindigkeit von über 200 km/h. Es folgen die nicht mit Hochgeschwindigkeitszügen befahrenen Hauptlinien, auf denen dafür dann aber immerhin noch Express-, Limited Express-, und Super-Express-Züge fahren. Diese fahren zwar meist nur so 100-150 km/h, insbesondere die Limited Express und Super-Express-Züge haben aber zum Teil recht beachtliche Haltestellenabstände, so dass sie von der Reisegeschwindigkeit in etwa mit einem langsamen Intercity vergleichbar sind, also alles in allem noch ein recht flottes Vorankommen bieten. Bewegt man sich allerdings auf einer Nebenstrecke auf der nur noch "Local"s verkehren, geht es dann aber gleich wirklich zum Teil nur noch mit Fahrradgeschwindigkeit voran und es kann schonmal vorkommen, dass der Zug maximal 50 km/h fährt und an jedem zweiten Haus hält. Somit hätte die Reise ins gut 100 km entfernte Niseko dann heute ca. 2 1/2 Stunden gedauert, was bei dem nicht mehr ganz so engen Fahrplantakt ebendorthin bedeutet hätte, dass ich erst um 5 Uhr nachmittags angekommen wäre. Hinzu kam, dass es heute recht verregnet war, so dass die Wolken vermutlich eh die Sicht auf die umliegenden Berge versaut hätte. Somit habe ich es dann dabei belassen, einen kleinen Spaziergang in Otaru, einer mittelgroßen Stadt an der Nordostküste zu unternehmen. Der Ort bot nicht allzu viel besonderes, aber so habe ich zumindest etwas frische Meeresluft bekommen, und die Anfahrt mit dem Zug, immer direkt am Hang zwischen Berg und Meer entlang, war durchaus lohnenswert. Zurück in Sapporo habe ich dann noch feststellen können, dass Japaner anscheinend ein gutes Bier so sehr zu schätzen wissen, dass sie für eine Flasche Flens auch gerne mal 1000 Yen (umgerechnet ca. 9 EUR) auf den Tisch legen. Jedenfalls wurde dieser Preis auf dem Sapporo Autumn Festival verlangt. Normalerweise ist Bier hier nicht so außergewöhnlich teuer und das lokale Bier ist auch durchaus als qualitativ wettbewerbsfähig einzustufen, so dass man es an sich nicht nötig hätte, Bier zu diesem Preis zu trinken. Außerdem überraschte mich die Sortenauswahl ein wenig. Flensburger ist ja zwar mittlerweile in Deutschland nicht mehr total exotisch, andererseits nun aber auch keins der ganz groß vertretenden, und somit verblüffte es mich doch ein wenig, es in einer Auswahl von nur vier deutschen Sorten (und somit auf einer Stufe mit Franziskaner) zu finden. Ist mir allerdings auch schonmal wonders passiert: In Dublin war skurilerweise auch das erste Nicht-Guiness, das mir über den Weg lief nicht etwa ein Warsteiner oder Krombacher, sondern ... ein Flens. Scheint also irgendwie eine international geschätzte Delikatesse zu sein. Die Leute haben Geschmack! Nun werde ich mal fix ins Bett, damit ich morgen etwas früher aus den Federn komme... weiter...