20.09.2011, 16:23, Faculty of Science, Hokkaido University, Sapporo
Gestern habe ich es tatsächlich geschafft, um 7:21 im Zug Richtung Kanigawa zu sitzen. Von dort waren es noch eine gute Halbe Stunde mit dem Bus nach Sounkyo. Eine Seilbahn brachte mich zunächst auf ca. 1300m Höhe, von wo aus es mit einem Sessellift weiter bis auf 1500 m ging. Der Sinn dieses Liftes erschloss sich mir dabei nicht so ganz, denn er überwindet eigentlich nur außerordentlich flaches und einfaches Terrain. Was auf den Sessellift folgte, wäre eigentlich einen Lift wert gewesen, denn nach der "Bergstation" ging es nochmal 400 Höhenmeter extrem steil bergan. Da der dritte Montag im September als "Tag der Alten" ein nationaler Feiertag ist, herrschte auf dem Wanderweg starker Verkehr; dennoch gelang es mir ohne größere Staus bis auf den 1934 Meter hohen Gipfel des Kurodake vorzudringen. Oben genoss ich zunächst ein wenig die Aussicht. Noch immer war es ziemlich wolkig, allerdings befand sich das untere Wolkenstockwerk bereits unterhalb des Gipfels, so dass man über viele Wolken einfach hinweg blicken konnte. Außerdem bot sich ein interessanter Anblick, wenn immer mal wieder einzelne Wolken versuchten, in den Tälern am Berg empor zu klettern. Nachdem ich eine Weile auf dem Gipfel verbracht hatte, bin ich dann noch ein paar Kilometer in Richtung der sich auf der anderen Seite anschließenden Hochtäler weiter gewandert. Die Landschaft war rau und alpin und je weiter man sich vom Kurodake entfernte, desto weniger wurden die Menschen. Gut, dass ich mir im Ort noch ein Bärenabwehrglöckchen gekauft hatte, um Meister Petz nicht in einem unpässlichen Moment zu überraschen. Das nimmt der einem nämlich zuweilen angeblich schon sehr übel und dann ist es bei ihm mit der vornehmen japanischen Zurückhaltung wohl schnell vorbei. Nach ca. einer halben Stunde bergab kam ich an einer kleinen Hütte vorbei, an der für Bergsteiger die Möglichkeit einer einfachen Unterkunft im mitgebrachten Zelt oder auf dem Matratzenlager zu übernachten. Hinter der Hütte wurde ein kleiner Bergrücken überquert, danach folgte eine Fuhrt über einen Gebirgsbach, trotz des grauen Wetters war es sehr bunt, denn der Herbst hatte die krüppeligen Büsche und Flechten, die es in dieser Höhe noch aushalten können, in ein Meer aus herbstlichen Farben verwandelt. Somit hat sich dieser Abstecher wirklich gelohnt. Am späten Nachmittag bin ich dann wieder zur Seilbahnstation abgestiegen. Leider fuhr der letzte Bus zurück von Sounkyo nach Kamikawa Station schon um 17:30 Uhr, so dass ich nicht mehr wie geplant die Möglichkeit nutzen konnte, meine geschundene Wadenmuskulatur im örtlichen Onsenbad für Strapazen des Aufstiegs zu entschädigen (was mir heute nun einen bösen Muskelkater beschert hat). Da der nächste durchgehende Expresszug nach Saporro erst in knapp 2 Stunden fuhr, wählte ich eine Verbindung, die mich zunächt mit dem Bummelzug in die nächstgrößere Stadt, Akashikawa, brachte, von wo die Verbindungen schon etwas häufiger sind. Als ich dann kurz vor Abfahrt des "Super Soya" Limited Express am Bahnsteig ankam, musste ich feststellen dass sich bereits eine lange Schlange an den Plätzen an denen der Waggon für Leute ohne Sitzplatzreservierung gebildet hatte. Zum Thema Bahnsteig ist hierbei noch Folgendes zu erläutern: Obwohl wir deutschen ja auch eher als viel zu ordentlich verschrien sind, finde ich es doch immer wieder ein wenig verblüffend, dass gewisse Dinge hier in Japan doch NOCH organisierter als bei uns sind. Zum Beispiel das Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel: Auf dem Bahnsteig sind Markierungen aufgemalt, die für verschiedene Zugtypen genau anzeigen, wo die Tür welchen Waggons zum Stehen kommen wird. Will man mit einem Zug fahren, so wartet man eben wirklich in Reih und Gleid aufgestellt vor der Markierung des Waggons für den man reserviert hat. Der Zug wird dann auf den Meter genau so zum Stehen kommen, dass die Türen exakt an der richtigen Stelle liegen. Die Warteschlange steigt dann nacheinander und geordnet ein - dass sich wie bei uns Menschentrauben vor den Türen bilden, die dann mehr oder wenig chaotisch in den Waggon drängen, ist hier schlichtweg undenkbar. Auch interessant ist, dass dieses System hier alle zu verstehen scheinen und sich nicht wie bei uns anschließend Leute mit schweren Koffern bepackt durch den halben Zug quetschen, weil sie zuvor zu doof waren, auf den Wagenstandanzeiger zu gucken und deshalb am genau falschen Zugende eingestiegen sind. Leider stand ich in diesem Fall aber ziemlich am Ende einer der erwähnten Schlangen. Als ich mich dann im bis auf den letzten Sitzplatz vollen "unreserved"-Waggon wiederfand, ärgerte ich mich zunächst ein wenig, dass ich nicht die hinreichend lange Zeit beim Umsteigen genutzt hatte, um mir eine Platzkarte ausstellen zu lassen; als Besitzer eines Japan Rail Passes wäre dies für mich ohne Zahlung des sonst fälligen Reservierungsaufschlags sehr einfach am örtlichen Fahrkartenschalter gegangen. Allerdings lernte ich dann im Zug, dass es auch ebenso problemlos noch möglich ist, an Bord beim Schaffner nachzureservieren. Somit wurde ich dann doch noch davor bewahrt, die knapp 2 Stunden lange Fahrt wie einige andere Leute im Gang stehend verbringen zu müssen, sondern konnte es mir in einem der nur zu knapp 20% ausgelasteten reservierungspflichtigen Wagen bequem machen :-) . Heute war dann wieder Arbeitstag und ich somit wieder an meinem Arbeitsplatz an der Hokkaido University. Der Tag wurde genutzt um noch ein weiteres Gespräch über meine Arbeit mit einem Kollegen zu führen, der erst heute von einer Dienstreise zurück gekommen ist, anschließend hatte ich ein wenig Zeit, die Erkenntnisse der letzen Tage mal stichwortmäßig als Gedächtnisstütze zusammenzufassen. Heute Abend geht es zum Abschluss dann noch einmal zusammen essen, bevor ich morgen dann morgen nach Yokohama umziehe. Dabei muss ich das Auge des von Süden heraufziehenden Taifuns "Roke" durchqueren. Nachdem der Tag heute sonnig begonnen hat, erreichen uns jetzt gerade die ersten hohen Wolken als Vorboten. Ich hoffe mal, dass der Shinkansen-Verkehr morgen nicht allzu sehr beeinträchtigt sein wird. Die Kollegen meinten, dass die Züge wohl an sich einigermaßen normal verkehren sollten, andererseits soll es ich bei Roke wohl auch um einen eher starken Taifun handeln. Man darf also gespannt sein, und ich sollte meine Regenjacke nicht allzuweit unten im Gepäck verstauen. weiter...