Teil 2: Paris-Epernay
Das Smartphone unseres Chauffeurs spuckt den Campingplatz Vareddes, ein paar Kilometer nördlich von Meaux als nächstbeste Übernachtungsgelegenheit aus. Netterweise fährt er uns sogar eben schnell rum, obwohl dies für ihn einen kleinen Umweg bedeutet. Nachdem das Zelt aufgestellt ist es schon früher Abend. Bei einer spontanen Inventur stellen wir erschreckt fest, dass unsere Nahrungsmittelreserven nahezu erschöpft sind. Zum Überleben bis zur voraussichtlichen Öffnung von Einkaufsmöglichkeiten am nächsten Morgen müssen nunmehr 300g Salami, 20g Camenbert, 70g Kakaopulver 350 ml Weißwein und ca. 90 ml Single Malt reichen. Zum Glück haben wir zuvor schon mit einer weiteren Flasche Cidre eine solide Magenfüllung geschaffen, so dass wir dem Hungertod um ein Haar entgehen können. Und während über den schmucklosen Dauercampingplatz im Minutentakt Flugzeuge im Landeanflug auf CDG donnern, geht der erste Tag on the road zu Ende. Am folgenden Tag wird unser Frühstück durch an der Rezeption erhaltenes landestypisches Stangenweißbrot ergänzt. Anschließend wird die Meaux-Pappe vom Vortag recycelt, denn die Stadt als solche ist ja bisher nur von der Durchfahrt am Vortag bekannt; zudem führt von dort ohnehin auch die Hauptstraße weiter gen Osten. Der Versuch, bateau-stop an dem am Campingplatz vorbeiführenden kleinen Kanal zu machen, schlägt mangels Verkehr fehl; die nur unwesentlich stärker befahrene Nebenstraße auf der wir am Vortag angekommen sind, ist wider jeglicher Erwartungen deutlich effizienter, denn keine 10 Minuten später hält eines der ersten vorbeikommenden Fahrzeuge: ein weißer Transporter, dessen älterer Pilot tatsächlich auf dem Weg nach Meaux ist. So bleibt in dem schmucken Städtchen Zeit für einen ausgiebige Stadtrundgang mit Besuch der imposanten gothischen Kathedrale. Danach wird ein geeignet erscheinender Trampspot gesucht. Die folgenden 4 Lifts bringen uns zunächst nach La Ferte-sous-Jouarre und von dort grob dem Tal der Marne folgend weiter nach Chateau-Thierry, Dormans und schließlich zu unserem Zielort Epernay. Die beiden erstgenannten Orte bringen ein wenig Wartezeit mit sich, was uns aber nicht daran hindert, unser Tagesziel zu erreichen. Am Abend werden wir von zwei jungen Damen am Camping Municipal d'Epernay ausgespuckt. Der Campingplatz ist verglichen mit unserem Domizil der vorhergehenden Nacht sehr ansprechend. Keine heruntergekommenen und verwaisten Dauercampingwohnwagen mehr wie in Vareddes, stattdessen ein schönes Stück gepflegte Wiese direkt an einer kleinen Bucht der Marne und ein wenig Leben in Form von anderen Urlaubern. Darauf muss natürlich erstmal mit zwei Fläschchen Weißwein angestoßen werden. Nachdem der Kater am nächsten Tag gegen Mittag besiegt ist steht einem Tagesausflug ins ca. 25 km entfernte Reims nicht mehr im Wege. Die erste Mitfahrgelegenheit des Tages ist eine Kleinfamilie in einem geräumigen Van mit Riesensonnendach. Mittlerweile konnten Fragmente meines Schulfranzösischs reaktiviert werden, so dass sogar rudimentäre Kommunikationsversuche mit der 5-jährigen Tochter auf der Rückbank neben uns gelingen. In Reims besuchen wir zunächst die Kirche des Klosters Saint-Remis. Dort findet gerade eine Hochzeit statt. Leider versäumen wir es, die Kirche unauffällig mit der Hochzeitsgesellschaft zu verlassen, so dass es uns nicht gelingt, uns noch etwas Hochzeitschampagner auf der sicherlich anschließenden Feier zu ergaunern. Somit bleiben wir dann doch dem ursprünglichen Plan treu und ziehen weiter in den Stadtkern, wo es mit der Kathedrale Notre-Dame de Reims noch ein weiteres Stück Weltkulturerbe zu bewundern gibt. Für die Rückfahrt am Abend heißt es zunächst ein wenig warten, bevor ein mit zwei Chicks besetzter silberner Van hält, der dem der Kleinfamilie von der Hinfahrt verdächtig ähnlich sieht. Vermutlich sitzt selbige nach dem skrupellosen Raubüberfall nun gefesselt und geknebelt in irgendeinem Champagnerkeller, und harrt der Dinge, die da kommen mögen. Nach einem konspirativen Treffen mit einem betrunkenen Libanesen in irgendeinem Kaff etwas abseits der Straße von Reims nach Epernay werden wir - obwohl wir vermutlich mittlerweile viel zu viel wissen - wohlbehalten und ohne dass irgendwer Lösegeld für uns zahlen muss kurz nach Einbruch der Dunkelheit am Campingplatz in Epernay rausgelassen. weiter...