Japan 13.09.-28.09.2011
24.09.2011, 20:18, K's House Mount Fuji, Kawaguchiko
Nach zwei Tagen Abstinenz ist es nun höchste Zeit für ein Update: Trotz aller Widrigkeiten habe ich es wie gesagt am Mittwoch doch noch nach Yokohama geschafft. Am Donnerstag stand dann dort mein Besuch am Earth Simulator Center von JAMSTEC an. Die Kollegen empfingen mich am Eingangstor, ansonsten war bei JAMSTEC diesen Tag eher tote Hose. Außer meiner Gastgebergruppe fanden sich in dem sonst mit ca. 50 Leuten besetzen Großraumbüro nur noch zwei oder drei weitere Leute. Der Großteil hatte es wohl taifunbedingt auch erst in den frühen Morgenstunden nach Hause geschafft und ist deshalb dann am Donnerstag verständlicherweise nicht zur Arbeit gekommen. Alle für mich relevanten Personen waren jedoch da, und so stand einem weiteren - trotz akuter Übermüdung meinerseits - außerordentlich produktiven Arbeitstag nichts im Wege. Zum Ausklang des Tages ging es dann mit einem der Kollegen noch in ein sehr nettes kleines Sushi-Restaurant in der Nähe vom Bahnhof Shin-Sugita, von wo aus mich die S-Bahn dann nach einigen Leckereinen und zwei Bier zurück zum Hotel brachte.Der Donnerstag begann dann nach dem Auschecken aus dem Hotel mit etwas Shopping in einer gigantischen Einkaufsmall um die Ecke. Besonders der Snoopy-Shop hatte es mir angetan, der Hello Kitty-Laden überzeugte hingegen nicht so ganz und deshalb muss wohl ein ebensolcher nochmal in Tokio aufgesucht werden. Nach vollendenten Einkäufen wurde dann das Gepäck aus dem Hotel abgeholt und dann ging es mit der Vorortbahn zunächst nach Hachioji, von dort mit dem Limited Express Kaijii nach Otsuki und weiter mit der Fujikyu nach Kawaguchiko. Zunächst wurde in K's House eingecheckt. Das Hostel war mir von meinem letzten Kawaguchikobesuch noch in guter Erinnerung. Das Wetter hingegen nicht, denn den nahegelegenen Fujisan habe ich beim letzten Mal wegen tiefhängender Wolken nicht einmal zu Gesicht bekommen. Aufgrund positiver Prognose hatte ich aber beschlossen, dem ganzen dieses Mal noch eine zweite Chance zu geben, was sich - wie sich am nächsten Tag herausstellte - auch wirklich gelohnt hat. Nach dem beziehen meiner Schlafstatt, ging es dann unmittelbar mit meiner Zimmermitbewohnerin zum Inder um die Ecke zum Abendessen. Zwar mal nicht japanisch, aber auch durchaus lecker. Danach stellte sich dann die Frage ob der Gestaltung des nächsten Tages, genauer ausgeführt: Die Frage Gipfelbesteigung wagen, oder nicht. Eigentlich ist die Saison am Fujisan nämlich "offiziell" zuende. An der Rezeption hatte man mir aber gesagt, dass es durchaus noch ginge, man sich eben nur drauf einstellen muss, dass die Infrastruktur zu hat und man auf sich allein gestellt ist. Der Wetterbericht war auch außerordentlich vielversprechend, und Tini versicherte mir, dass sie es vorletztes Jahr auch ohne schwere Bergstiefel und Steigeisen geschafft hat, zudem unter ungünstigeren Wetterbedingungen als für den nächsten Tag vorhergesagt. Genau wie mein Zimmerkollege, Peter, der abends irgendwann ins Hostel zurückkam und gerade noch schnell einen Bericht abgeben konnte, bevor er dann in einen komaartigen Schlaf verfiel. Dieser beinhaltete auffallend häufig das Wort "fucking": "fucking exhausting", "fucking cold", aber eben auch "fucking awesome, when it turned clear". Somit beschlossen mein Zimmermitbewohner David und ich es zu versuchen. Heute ging es somit zu einigermaßen früher Tageszeit zum Bahnhof, wobei sich mir das allererste Mal der Gipfel des Fuji zeigte. Von Kawaguchiko Station ging es dann mit dem ersten Bus hinauf zur fünften Station des Fujisan in 2305 m ü.N.N., wo die Straße endet und es somit nur noch zu Fuß weiter geht. Nach etwa 200 Höhenmetern hatten wir tiefste Wolkenstockwerk unter uns gelassen - darüber war auch nicht mehr viel außer ein paar dünnen Zirren. Somit hatten wir so herrlichen Sonnenschein, wie man um diese Jahreszeit nur haben kann. Der Aufstieg dauerte insgesammt rund 4 Stunden in denen es durchgehend ziemlich steil aber auf an sich noch passabel in Hikingschuhen zu begehenden Wegen bergan ging. bei circa 3300 m ü.NN. begann eine dünne Schneedecke, der weg war allerdings freigetaut. Dennoch war es oben doch ziemlich eisig kalt, außerdem merkte man dann doch irgendwann die extreme Höhe, und zuweilen erforderte es doch etwas Disziplin, die Konzentration zu bewahren. Kurz nach dem Mittag trafen wir am Gipfel und somit am Kraterrand ein. Auch wenn es anstrengend war, es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Runter haben wir dann ca. 3 Stunden gebraucht, dann mussten wir noch relativ lange auf den letzten Bus warten, sodass wir gegen 19 Uhr zurück im Hostel waren. Die Dusche war göttlich, und ich glaub nun brauche ich erstmal was zum Abendessen und das Bier das unten noch in der Küche im Kühlschrank steht :-)
21.09.2011, 23:49, Bahnhof Shinagawa, Tokyo - später weiter im Sakuragicho Washington Hotel Yokohama
Wie es aussieht sitzte ich fest. Dabei dachte ich es so gut wie geschafft zu haben. Eigentlich dachte ich Roke schon im Norden Honsus zu treffen. Doch dort gab es maximal normalen Herbstregen. Kaum hatte ich die Postkarten mit Inhalt "Ist alles gar nicht so schlimm, man hat kaum was gemerkt" zuende geschrieben, machte der Shinkansen dann doch noch einen Außerplanmäßigen Stopp in Shin-Shirakawa, ca. 200 km nördlich Tokios. Und da standen wir dann erstmal eine kleine Ewigkeit im Bahnhof. Nach ca. 2 1/2 Stunden ging es dann weiter. Um halb 10 rum traf mein Shinkansen in Tokyo ein. 2 1/2 Stunden Verspätung von Sapporo bis Tokyo, auf einer 1200km Strecke. Geht ja noch, dachte ich mir noch. Von hier hätte es dann eigentlich nur noch ein Katzensprung bis Yokohama sein sollen. Ca. eine halbe Stunde mit der Vorortbahn, so war der Plan. Zunächst ging das auch noch ganz gut. Ein Zug der richtigen Linie stand schon bereit, ich also rein. Zwar nur ein Stehplatz, aber watt solls, ist ja nicht so weit. An der nächsten Station stiegen dann nochmal kräftig Leute zu, so dass es schon eher kuschelig wurde. Als wir dann an der zweiten Station, Shinagawa, ankamen, stand dort der Bahnsteig wirklich bis auf den letzten Quadratzentimeter voll. Es konnten nochmal 5 Leute reingequetscht werden, was in anbetracht der Situtaion auf dem Bahsteig aber wohl eher ein Tropfen auf den heißen Stein war. Bei den letzten, die noch in den Waggon drängten, lief dass dann so ab, dass sie sich mit beiden Händen am Türrahmen abstützen, um den Inhalt des Zuges noch einmal nachzuverdichten. Wie auch immer, der Zug stand dann erstmal eine ganze Weile da, und es ging nicht weiter. Irgendwann kam eine Durchsage auf Japanisch, dann ein sarkastisches Gelächter und eine nicht unwesentliche Zahl an Leuten fing an auszusteigen. Ich hab mich da dann einfach mal angeschlossen, da ich eh Bedenken hatte, es mit meinem Koffer und Rucksack in Yokohama nicht raus zu schaffen, sollte die Tür auf der gegenüberliegende Seite dort aufgehen. Am Fahrkartenschalter versicherte man mir dann auch, dass der Betrieb auf meiner Linie erstmal eingestellt sei. Ich könne nach Yokohama jedoch die Ubahn nehmen, die würde wohl noch fahren. Nett gesagt, aber leider total utopisch: Shinagawa Station war bereits von einigen Zehntausend gestrandeten Reisenden bevölkert. Überall saßen Leute in den Warteräumen und auf dem Fußboden und vor den Niedergängen zu den Bahnsteigen hatten sich zum Teil hunderte Meter lange Schlangen bis hinaus auf die Straße gebildet. Die Polizei versuchte die Menschenmassen mit Megaphonen in halbwegs geordnete Bahnen zu leiten. Wirklich beeindruckend zu sehen, was es bedeutet, wenn der öffentliche Nahverkehr einer 40 Millionen Einwohner Metropole zusammen bricht. Ich denke, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Leute die Nacht auf dem Bahnhof verbringen wird. Ich hatte mich da auch schon mental drauf eingestellt, und mich schonmal vorsorglich beim nächsten noch offenen Supermarkt mit Bier und was zu Essen eingedeckt, solange es noch was gibt. Allerdings stellte ich dann später fest, dass die Situation an den Ticket-Gates zu den Shinkansen-Bahnsteigen noch sehr entspannt aussah. Da ich dort mit meinem Japan Rail Pass auch problemlos Zugang bekommen konnte, dachte ich mir, ich schau mal wie es dort an den Zügen aussieht. Der Shinkansenbahnhof Yokohamas ist zwar etwas weit weg von meinem Hotel und eigentlich an der falschen Linie, aber immerhin deutlich besser und näher als Shinagawa, und zur Not hätte man den Rest von dort in 1 1/2 Stunden zu Fuß laufen können. Der Versuch war erfolgreich, denn nach circa einer weiteren halben Stunde fuhr wirklich ein Shinkansen richtung Shin-Yokohama raus. Der hatte zwar 3 1/2 Stunden Verspätung (und das an der zweiten Station), aber das war eh egal, denn sämtliche Sitzplatzreservierungen, die eigentlich im Shinkansen obligatorisch sind, waren eh hinfällig und der Zug somit komplett als "unreserved" ausgewiesen. Hauptsache irgendein Zug in die halbwegs richtige Richtung. Von Shin-Yokohama fuhren dann sogar ziemlich regelmäßig und mit nur ner Viertel Stunde Verspätung Züge in Richtung Innenstadt Yokohamas und somit in Richtung meines Hotels. Somit konnte ich es mit nur 6 Stunden Verspätung insgesamt schaffen. Verglichen zu den Leuten, die in Shiganawa auf die Wiederaufnahme des S-Bahnverkehrs warten mussten war ich damit aber vermutlich noch sehr sehr gut dabei.20.09.2011, 23:04, Chisun Grand Saporro
Gerade ging es noch einmal mit den Kollegen von der Hokkaido University richtig nett in einem sehr schönen Restaurant in Susukino - dem Vergnügungsviertel Saporros - zum Abendessen. Ein sehr würdiger Abshluss meines Saporroaufenthalts. Hoffe, dass ich es morgen ohne allzu große Probleme nach Yokohama schaffen werde, denn Roke wurde gerade von der Japan Meteorologal Agency von "strong" auf "very strong" hochgestuft.20.09.2011, 16:23, Faculty of Science, Hokkaido University, Sapporo
Gestern habe ich es tatsächlich geschafft, um 7:21 im Zug Richtung Kanigawa zu sitzen. Von dort waren es noch eine gute Halbe Stunde mit dem Bus nach Sounkyo. Eine Seilbahn brachte mich zunächst auf ca. 1300m Höhe, von wo aus es mit einem Sessellift weiter bis auf 1500 m ging. Der Sinn dieses Liftes erschloss sich mir dabei nicht so ganz, denn er überwindet eigentlich nur außerordentlich flaches und einfaches Terrain. Was auf den Sessellift folgte, wäre eigentlich einen Lift wert gewesen, denn nach der "Bergstation" ging es nochmal 400 Höhenmeter extrem steil bergan. Da der dritte Montag im September als "Tag der Alten" ein nationaler Feiertag ist, herrschte auf dem Wanderweg starker Verkehr; dennoch gelang es mir ohne größere Staus bis auf den 1934 Meter hohen Gipfel des Kurodake vorzudringen. Oben genoss ich zunächst ein wenig die Aussicht. Noch immer war es ziemlich wolkig, allerdings befand sich das untere Wolkenstockwerk bereits unterhalb des Gipfels, so dass man über viele Wolken einfach hinweg blicken konnte. Außerdem bot sich ein interesannter Anblick, wenn immer mal wieder einzelne Wolken versuchten, in den Tälern am Berg emporzuklettern. Nachdem ich eine Weile auf dem Gipfel verbracht hatte, bin ich dann noch ein paar Kilometer in Richtung der sich auf der anderen Seite anschließenden Hochtäler weiter gewandert. Die Lanschaft war rau und alpin und je weiter man sich vom Kurodake entfernte, desto weniger wurden die Menschen. Gut, dass ich mir im Ort noch ein Bärenabwehrglöckchen gekauft hatte, um Meister Petz nicht in einem unpässlichen Moment zu überraschen. Das nimmt der einem nämlich zuweilen angeblich schon sehr übel und dann ist es bei ihm mit der vornehmen japanischen Zurückhaltung wohl schnell vorbei. Nach ca. einer halben Stunde bergab kam ich an einer kleinen Hütte vorbei, an der für Bergsteiger die Möglichkeit einer einfachen Unterkunft im mitgebrachten Zelt oder auf dem Matratzenlager zu übernachten. Hinter der Hütte wurde ein kleiner Bergrücken überquert, danach folgte eine Fuhrt über einen Gebirgsbach, trotz des grauen Wetters war es sehr bunt, denn der Herbst hatte die krüppeligen Büsche und Flechten, die es in dieser Höhe noch aushalten können, in ein Meer aus herbstlichen Farben verwandelt. Somit hat sich dieser Abstecher wirklich gelohnt.Am späten Nachmittag bin ich dann wieder zur Seilbahnstation abgestiegen. Leider fuhr der letzte Bus zurück von Sounkyo nach Kamikawa Station schon um 17:30 Uhr, so dass ich nicht mehr wie geplant die Möglichkeit nutzen konnte, meine geschundene Wadenmuskulatur im örtlichen Onsenbad für Strapazen des Aufstiegs zu entschädigen (was mir heute nun einen bösen Muskelkater beschert hat). Da der nächste durchgehende Expresszug nach Saporro erst in knapp 2 Stunden fuhr, wählte ich eine Verbindung, die mich zunächt mit dem Bummelzug in die nächstgrößere Stadt, Akashikawa, brachte, von wo die Verbindungen schon etwas häufiger sind. Als ich dann kurz vor Abfahrt des "Super Soya" Limited Express am Bahnsteig ankam, musste ich feststellen dass sich bereits eine lange Schlange an den Plätzen an denen der Waggon für Leute ohne Sitzplatzreservierung gebildet hatte. Zum Thema Bahnsteig ist hierbei noch Folgendes zu erläutern: Obwohl wir deutschen ja auch eher als viel zu ordentlich verschrien sind, finde ich es doch immer wieder ein wenig verblüffend, dass gewisse Dinge hier in Japan doch NOCH organisierter als bei uns sind. Zum Beispiel das Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel: Auf dem Bahnsteig sind Markierungen aufgemalt, die für verschiedene Zugtypen genau anzeigen, wo die Tür welchen Waggons zum Stehen kommen wird. Will man mit einem Zug fahren, so wartet man eben wirklich in Reih und Gleid aufgestellt vor der Markierung des Waggons für den man reserviert hat. Der Zug wird dann auf den Meter genau so zum Stehen kommen, dass die Türen exakt an der richtigen Stelle liegen. Die Warteschlange steigt dann nacheinander und geordnet ein - dass sich wie bei uns Menschentrauben vor den Türen bilden, die dann mehr oder wenig chaotisch in den Waggon drängen, ist hier schlichtweg undenkbar. Auch interessant ist, dass dieses System hier alle zu verstehen scheinen und sich nicht wie bei uns anschließend Leute mit schweren Koffern bepackt durch den halben Zug quetschen, weil sie zuvor zu doof waren, auf den Wagenstandanzeiger zu gucken und deshalb am genau falschen Zugende eingestiegen sind. Leider stand ich in diesem Fall aber ziemlich am Ende einer der erwähnten Schlangen. Als ich mich dann im bis auf den letzten Sitzplatz vollen "unreserved"-Waggon wiederfand, ärgerte ich mich zunächst ein wenig, dass ich nicht die hinreichend lange Zeit beim Umsteigen genutzt hatte, um mir eine Platzkarte ausstellen zu lassen; als Besitzer eines Japan Rail Passes wäre dies für mich ohne Zahlung des sonst fälligen Reservierungsaufschlags sehr einfach am örtlichen Fahrkartenschalter gegangen. Allerdings lernte ich dann im Zug, dass es auch ebenso problemlos noch möglich ist, an Bord beim Schaffner nachzureservieren. Somit wurde ich dann doch noch davor bewahrt, die knapp 2 Stunden lange Fahrt wie einige andere Leute im Gang stehend verbringen zu müssen, sondern konnte es mir in eindem der nur zu knapp 20% ausgelasteten reservierungspflichtigen Wagen bequen machen :-) .
Heute war dann wieder Arbeitstag und ich somit wieder an meinem Arbeitsplatz an der Hokkaido University. Der Tag wurde genutzt um noch ein weiteres Gespräch über meine Arbeit mit einem Kollegen zu führen, der erst heute von einer Dienstreise zurück gekommen ist, anschließend hatte ich ein wenig Zeit, die Erkenntnisse der letzen Tage mal stichwortmäßig als Gedächtnisstütze zusammenzufassen. Heute Abend geht es zum Abschluss dann noch einmal zusammen essen, bevor ich morgen dann morgen nach Yokohama umziehe. Dabei muss ich das Auge des von Süden heraufziehenden Taifuns "Roke" durchqueren. Nachdem der Tag heute sonnig begonnen hat, erreichen uns jetzt gerade die ersten hohen Wolken als Vorboten. Ich hoffe mal, dass der Shinkansen-Verkehr morgen nicht allzu sehr beeinträchtigt sein wird. Die Kollegen meinten, dass die Züge wohl an sich einigermaßen normal verkehren sollten, andererseits soll es ich bei Roke wohl auch um einen eher starken Taifun handeln. Man darf also gespannt sein, und ich sollte meine Regenjacke nicht allzuweit unten im Gepäck verstauen.
18.09.2011, 22:50, Chisun Grand Sapporo
Leider war das Wetter heute nochmal ziemlich mies: Gelegentlicher Nieselregen und grau in grau. Dies sollte mich aber nicht davon abhalten heute morgen mit dem Zug Richtung Toya aufzubrechen. Dort angekommen bin ich was das Verkehrsmittel anbelangt in Level 2 aufgstiegen, denn ab dem Bahnhof Toya ging es mit dem lokalen Bus 11km weiter nach Toyaku-onsen. Immerhin war aber zumindest ein Teil der Beschilderung noch in Englisch, da Toyaku-onsen recht lebhaften (zum Teil anscheinend auch noch internationalen) Tourismus aufweist. Dies kommt nicht von ungefähr, denn der Ort ist nicht nur wunderhübsch an einem von kleinen Bergen umgebenen See gelegen, sondern hat mit dem aktiven Vulkan Usuzan, der auch mich hierher gezogen hat, auch eine ganz heiße Sehenswürdigkeit. Nachdem ich im Tourist Information Center sogar eine englischsprachige Karte des Ortes und der umliegenden Geo-Wanderwege ergattern konnte, begann ich meine Besichtigungstour mit einem Besuch des Volcanic Science Museum. In der kleinen aber lohnenswerten Ausstellung wird der Ablauf der letzten Ausbrüche beschrieben, außerdem gibt es einen sehr gut gemachten Film mit imposanten Bildern der Eruptionen. Nach einer längeren Phase der Inaktivität ist der Vulkan im 17. Jahrhundert zu neuer Aktivität erwacht und bricht seit dem einigermaßen regelmäßig alle ca. 20-30 Jahre aus. Die letzten Ausbrüche erfolgten in den Jahren 1910, 1949, 1977 und 2000 an mehreren verschiedenen Stellen im direkten Umkreis von Toyaku-onsen. Der Ablauf war hierbei immer gleich: leichte aber durchaus fühlbare Erdbeben bedeuteten in allen Fällen, dass eine Eruption unmittelbar innerhalb der nächsten Tage bevorsteht, und man schleunigst mit der Evakuierung des Gebiets beginnen sollte. Aufgrund dieser Zuverlässigkeit hat der Berg den Beinamen "Der Berg, der niemals lügt". Die Geophysiker freuts, denn so konnten sie an diesem Ort schon eine Fülle wertvoller Messdaten sammeln.Nachdem ich das Museum durch hatte, machte ich mich dann auf den Weg Richtung Usuzan-Seilbahn. Auf halber Strecke führte dieser noch an einem ehemaligen Krankenhaus vorbei, das durch in Verbindung mit dem 1977er Ausbruch aufgetretenen Hangrutschungen zerstört wurde. Nach ca. 4 km Wanderung treffe ich an Talstation der an den Rand des größten Kraters am Usuzan führende Seilbahn ein. Leider hat diese jedoch wegen "des starken Windes" (ich hätte bis zu diesem Zeitpunkt behauptet, dass es fast findstill ist) geschlossen. Gelohnt hat sich die Weg trotzdem, denn immerhin gab es von der Seilbahnstation einen schönen Blick auf direkt nebenan gelegene Showashinzan, dessen eigenwilliger Lavadom 1949 entstanden ist. Bis heute kann man es an den Bergflanken noch überall dampfen sehen.
Anschließend fuhr ich dann mit dem Bus zurück nach Toyaku-onsen, von wo ich einen zweiten auf meiner Karte verzeichneten Wanderweg in Angriff nahm. Dieser führte durch das Gebiet des jüngsten Ausbruchs. Am Ortsrand sind gigantische Barrieren aus Erde, Stahl und Beton aufgebaut, die die immernoch gelegentlich auftretenden Schlammlawinen in geregelten Bahnen um den Ort herumleiten sollen. Der Wanderweg endete an einer Bushaltestelle, von der ich zurück nach Toya fuhr. Nachdem am Strand des eher verschlafenen Orts noch ein Saporro Classic verköstigt wurde, ging es dann am Abend mit dem "Super Hokotu" zurück nach Sapporo.
17.09.2011, 23:21, Chisun Grand Sapporo
Nachdem ich gestern Abend nicht mehr sonderlich motiviert war, den Computer abends noch einmal anzuschmeißen, hier ein kurzes Update der letzten 2 Tage: Gestern war an sich ganz spannend. Am Vormittag hab ich noch ein bißchen an meinem Vortrag rumgewurschtelt, außerdem haben die Kollegen mir das Universitätsmuseum gezeigt. Dieses präsentierte historische Dokumente über die Geschichte der Hokkaido Universität und Ausstellungen zu den aktuell und traditionell bedeutenden Zweigen ihrer Forschung. So gab es unter anderem eine recht imposante Schmetterlingssammlung, diverse Steine und Fossilien und vieles mehr. Dem ausgestellten Nilpferd ging es leider nicht mehr so gut. Jedenfalls lässt der Umstand, dass sein nackter Schädelknochen in einer Glasvitrine lag dies vermuten. Zum Mittagessen ging es dann zum Chinesen. Eigentlich ja nicht so mein Ding in Deutschland, aber hier kann man sogar chinesisches Essen ertragen, denn es ist doch irgendwie deutlich leichter als in Deutschland. Irgendwie schon interessant, wie sich die Küche dann doch immer den Ansprüchen der Klientel im jeweiligen Land anpasst. Nach dem Essen wurde ich von den Kollegen aus meiner Gastgebergruppe an der Graduate School of Science dann zum "Institute of Low Temperature Science" begleitet, wo mein Seminarvortrag stattfinden sollte. Trotz totaler Übernächtigung hab ich mich dabei wohl zumindest nicht total blamiert - glaub ich jedenfalls. Nach dem Vortrag folgten dann Einzelgespräche mit Leuten aus dem Institut, in denen diese mir kurz ihre Arbeit vorgestellt haben. Schwerpunkte des Instituts sind das Okhotskische Meer, zu dem vielfälltige Modellierung der Strömungs- und Eisdynamik betrieben wird, außerdem sind polares Meereis und Tiefenwasserbildungsprozesse in der Antarktis ein Thema. Alles ein bißchen was anderes, als das was ich mache, aber somit hatte ich den Nachmittag die Gelegenheit, sehr viel neues zu lernen. Anschließend wurde ich von den Kollegen zum Abendessen eingeladen (da kann man sich auch irgendwie hier nicht gegen wehren), wofür es in ein kleines, sehr nettes japanisches Restaurant ging. Es gab ein "All you can Eat"-Menü mit Lamm Dhingis-Khan, einer lokalen Spezialität Hokkaidos als Grundlage. Das Besondere hierbei ist, dass das Fleisch roh an den Tisch gebracht wird, und man es dort auf einem kleinen Grill selbst brät. Neben Lamm gab es auch noch diverse andere Sorten Fleisch und Oktopus und beim ein oder anderen Bier wurde sich reichhaltig über Themen jenseits der Forschung ausgetauscht. Und falls nächses Mal doch ein Fahrrad im Gepäck Platz finden sollte hab ich fürs nächste Mal auch schon eine Tourverabredung, denn einer der Kollegen offenbarte sich als begeisterter Fahrer von Touren um 100 km Länge :-DHeute ist dann irgendwie ein wenig ins Wasser gefallen. Nachdem ich gestern fatalerweise beschlossen hatte, keinen Wecker zu stellen, war es kurz nach 11 als ich aus meinem 12-Stunden Schlaf erwachte. Trotz Verzicht auf Frühstück war ich somit erst kurz nach Mittag am Bahnhof und stellte dann zu allem Überfluss fest, dass Niseko, der kleine Onsen-Ort in den Bergen, der mir gestern von einem der Kollgen empfohlen wurde, leider nur per längerer Fahrt mit einem "Local"-Zug zu erreichen ist. Hierzu ist zu sagen, dass es in Japan diverse Zuggattungen gibt, die sich in der Vorankommensgeschwindigkeit so eklatant unterscheiden, wie kaum irgendwo sonst. Solange man sich auf einer Shinkansenstrecke bewegt, ist man wahnsinnig schnell. Selbst mit Zwischenhalten schafft man in aller Regel eine Durchschnittsreisegeschwindigkeit von über 200 km/h. Es folgen die nicht mit Hochgeschwindigkeitszügen befahrenen Hauptlinien, auf denen dafür dann aber immerhin noch Express-, Limited Express-, und Super-Express-Züge fahren. Diese fahren zwar meist nur so 100-150 km/h, insbesondere die Limited Express und Super-Express-Züge haben aber zum Teil recht beachtliche Haltestellenabstände, so dass sie von der Reisegeschwindigkeit in etwa mit einem langsamen Intercity vergleichbar sind, also alles in allem noch ein recht flottes Vorankommen bieten. Bewegt man sich allerdings auf einer Nebenstrecke auf der nur noch "Local"s verkehren, geht es dann aber gleich wirklich zum Teil nur noch mit Fahrradgeschwindigkeit voran und es kann schonmal vorkommen, dass der Zug maximal 50 km/h fährt und an jedem zweiten Haus hält. Somit hätte die Reise ins gut 100 km entfernte Niseko dann heute ca. 2 1/2 Stunden gedauert, was bei dem nicht mehr ganz so engen Fahrplantakt ebendorthin bedeutet hätte, dass ich erst um 5 Uhr nachmittags angekommen wäre. Hinzu kam, dass es heute recht verregnet war, so dass die Wolken vermutlich eh die Sicht auf die umliegenden Berge versaut hätte. Somit habe ich es dann dabei belassen, einen kleinen Spaziergang in Otaru, einer mittelgroßen Stadt an der Nordostküste zu unternehmen. Der Ort bot nicht allzu viel besonderes, aber so habe ich zumindest etwas frische Meerluft bekommen, und die Anfahrt mit dem Zug, immer direkt am Hang zwischen Berg und Meer entlang, war durchaus lohnenswert. Zurück in Sapporo habe ich dann noch feststellen können, dass Japaner anscheinend ein gutes Bier so sehr zu schätzen wissen, dass sie für eine Flasche Flens auch gerne mal 1000 Yen (umgerechnet ca. 9 EUR) auf den Tisch legen. Jedenfalls wurde dieser Preis auf dem Sapporo Autumn Festival verlangt. Normalerweise ist Bier hier nicht so außergewöhnlich teuer und das lokale Bier ist auch durchaus als qualitativ wettbewerbsfähig einzustufen, so dass man es an sich nicht nötig hätte, Bier zu diesem Preis zu trinken. Außerdem überraschte mich die Sortenauswahl ein wenig. Flensburger ist ja zwar mittlerweile in Deutschland nicht mehr total exotisch, andererseits nun aber auch keins der ganz groß vertretenden, und somit verblüffte es mich doch ein wenig, es in einer Auswahl von nur vier deutschen Sorten (und somit auf einer Stufe mit Franziskaner) zu finden. Ist mir allerdings auch schonmal wonders passiert: In Dublin war skurilerweise auch das erste Nicht-Guiness, das mir über den Weg lief nicht etwa ein Warsteiner oder Krombacher, sondern ... ein Flens. Scheint also irgendwie eine international geschätzte Delikatesse zu sein. Die Leute haben Geschmack!
Nun werde ich mal fix ins Bett, damit ich morgen etwas früher aus den Federn komme...
15.09.2011, 23:59, Chisun Grand Sapporo
Ortskundige Bekannte sind schon was tolles, denn sonst hätte ich diese kleine Bar, in die es heute zum Abendessen ging, wahrscheinlich nie entdeckt. Vor allem hätte ich wahrscheinlich Probleme gehabt, etwas zu bestellen, bzw. herauszufinden was das was ich esse eigentlich ist. Dank der Hilfe meiner japanischen Gastgebergruppe weiß ich: Es handelte sich um Sashimi (roher Lachs und Thunfisch auf Reis) und in Seetang eingewickeltes Seeigelfleisch. Die gebratenen Kalmar-Arme und das Sapporoer Bier hätte ich wahrscheinlich auch aus eigener Kraft als solche erkannt :-D. Alles in allem sehr lecker und ich bin nun wirklich vollgefuttert.15.09.2011, 14:54, Faculty of Science, Hokkaido University, Sapporo
Habe heute morgen meinen Schreibtisch in Yoshis Büro im 2. Stock von Gebäude 8 mit netter Ausicht auf die Berge im Westen der Stadt bezogen. Im Laufe des Tages gab hatte ich schon ein paar interessante Gespräche, in denen mir die japanischen Kollegen ihre aktuelle Arbeit vorgestellt haben. Heute abend geht es dann noch gemeinsam zum Sushi essen.15.09.2011, 00:02, Chisun Grand Sapporo
Eingereist, in Sendai das erste Sushi-Lunch package gegessen, gut 700 km Shinkansen und dann noch mal ein paar hundert Kilometer Limited Express gefahren (mit letzterem durch einen der längsten Eisenbahntunnel der Welt), gerade im Hotel eingecheckt. Hotel-WC hat immerhin 5 Funktionen. Nun nochmal schnell eine vorläufige Vortragsversion als Diskussionsgrundlage fertig machen und dann endlich ab unter die Dusche.14.09.2011, 02:32 Uhr Ortszeit Tokio, Britisch Airways-Flug 005 von LHR nach NRT
Beschissener kann eine Reise kaum anfangen: Nachdem vorgestern sämtliche Pläne einmal nicht auf den letzten Drücker mit allen Reisevorbereitungen fertig zu werden durch gewisse Leute auf schärfste sabottiert wurden, wurde der Koffer dann doch erst gestern morgen um 3 Uhr in mäßig zurechenbarem Zustand gepackt. Das Vorbereiten meines Vortrags für Freitag musste zudem von meinem ergonomischen und geräumigen Arbeitsplatz an der Förde zwischen die Sitzreihen 49 und 50 einer Boeing 777-300 verlegt werden und wird vermutlich am Abend im Hotel in Sapporo abgeschlossen werden. Zu allem Überfluss hat mich dann der KielExx gestern/heute morgen auch noch verarscht. Circa eine halbe Stunde zu spät kam der bestellte Wagen, der Fahrer behauptete glaubwürdig vor 5 Minuten überstürzt den Auftrag bekommen zu haben, alle anderen Fahrten zu streichen und zu mir zu fahren. Genau diese Zeitspanne zuvor hatte ich noch einmal in der Zentrale angerufen, um mich über den Verbleib des seit 20 Minuten überfälligen Busses zu informieren. Zum Glück hatte ich ein bißchen Reserve eingeplant und zum Glück erlaubte die A7 an diesem morgen halsbrecherische Fahrgeschwindigkeiten, so dass ich noch ca. eine Stunde vor Abflug am Flughafen ankam und noch problemlos nach London einchecken konnte. Der Anflug auf London war ziemlich phänomenal und lieferte den zweifelsfreien Beweis, dass die ganzen Gebäude, die einen jeden Englischlehrer regelmäßig bei Sichtung im Schullehrbuch in helle Begeisterungsstürme versetzen, auch wirklich existieren. Die Umsteigezeit von knapp 1 1/2 Stunden hätte viel kürzer nicht sein dürfen, Heathrow ist definitiv kein Flughafen der kurzen Wege. Ich hoffe mal, dass das Bodenpersonal dennoch ausreichend Zeit hatte, die Armada an Gepäckanhängern an meinem eingecheckten Koffer ("Fragile", "Fast Transfer LHR", "BA 005 → NRT") ausreichend zur Kenntnis genommen hat, mein Gepäckstück in einem der Container war, die in dieses Flugzeug geschoben wurden, und mein Nilpferd-T-Shirt nun keine Rotweinflecken hat. Die Platzauswahl, die mir der Checkin-Automat in Hamburg anbot war nur noch sehr überschaubar, trotzdem finde ich habe ich einen der tollsten Plätze im ganzen Flugzeug erwischt. Die letzte Reihe war schon damals im Schulbus schon immer irgendwie die coolste, und und bietet in diesem Flugzeuge den Vorteil, dass sie aus der 3-4-3-Bestuhlung ausbricht und ich trotz Fensterplatz im Gegensatz zu den Mitreisenden vor mir nur einen statt 2 Plätze neben mir habe.