Frische Brise am Atlantik
Am nächsten Tag verabschiede ich mich nach dem Frühstück von meinen Mitbewohnerinnen und mache mich mit meinem Rucksäckchen an Habseligkeiten auf den Weg zum Busterminal und verlasse Dublin um 11 Uhr mit Bus Eireann. Die Fahrt Richtung Westen durchs Binnenland ist nicht sonderlich spektakulär, nach 3 1/2 Stunden ist Galway erreicht. Bis der nächste Bus von hier weiter zu meinem Tagesziel Doolin abfährt sind noch ein paar Stunden Zeit, die ich dafür nutze, mir die malerische Stadt anzuschauen und schon einmal eine Nase Atlantikluft zu schnuppern. Über die Bucht von Galway weht ein stürmischer Wind und lässt die gelegentlich herumstehenden Palmen kräftig schwanken. Am frühen Abend geht es gut durchgepustet mit dem Bus weiter richtung Süden. Die Straßen werden bald nach verlassen Galways kleiner und kurviger und die Landschaft entschädigt nun voll und ganz für das etwas langweilige Landesinnere. So stellt man sich Irland als geneigter Kerrygold-Werbunggucker einfach vor. Leider wird es bei der Fahrt über den Burren dann bald dunkel, so dass man die Grandiosität der zerklüfteten Karst-Landschaft nur erahnen kann. Am noch nicht allzu späten Abend spuckt mich der Bus im "Ortskern" von Doolin aus. Es stürmt, es ist stockfinster, nur hier und da sieht man das Licht eines der verstreut liegenden Häuser der Siedlung und man hat durchs Dunkel der unbeleuchteten Straße tapsend den Eindruck nun wirklich am Ende der Welt gelandet zu sein. Es ist klar, warum Carl, der Leiter des Aille River Hostels, in dem ich mich aus Galway telefonisch angemeldet habe, vorhin meinte, dass ich unbedingt vor meiner Abfahrt nach Doolin noch etwas zum Abendessen einkaufen solle. Die paar dem Bus entstiegenen Backpacker, ich eingeschlossen, verschwinden in der Nacht, um sich auf die 4 Hostels des Ortes zu verteilen.
Das Aille River erweist sich als wahres Kleinod und geht weit über jeden Backpackertraum hinaus. Wahrscheinlich hat es die mehrmaligen Siege bei der Hostelworld.com-Benutzerwahl zum besten Hostel Irlands derer es sich rühmen kann, absolut zu Recht errungen. Schon von außen strahlt das kleine alte, aber offensichtlich regelmäßig renovierte am Bach gelegene Cottage, eine beschauliche Gemütlichkeit aus; dieser Eindruck wird noch bei weitem übertroffen, als Carl mir nach erfolgtem Check-in eine kurze Hausführung gibt. Gleich nach dem Eintreten ins Haus empfängt einen ein gemütlicher Aufenthaltsraum mit Kamin und Schaukelstuhl, Büchern und Musik; daran schließt sich eine geräumige, blitzblank geputzte Küche an, in der es an absolut nichts fehlt. Im Bad sieht es so aus, als ob man bedenkenlos vom Fußboden frühstücken könnte und auch die Ausstattung der Zimmer ist tiptop in Ordnung. Außerdem gibt es sowohl Internetzugang als auch Waschmaschinenbenutzung kostenlos draufzu. Bisher habe ich noch kein Hostel kennengelernt, dass sich in einem derartigen Zustand befand. Und mit 16 EUR die Nacht ist der ganze Luxus auch noch absolut bezahlbar. Meine Zimmerkollegen kommen aus Deutschland und Italien, und nachdem wir kurz im Kaminzimmer ein wenig mit Dosenbier vorgeglüht haben, endet der Abend im äußerst schmucken O'Connor's Pub, wo bis zur Sperrstunde noch das ein oder andere Guinness unsere Kehlen hinunter fließt.
Am nächsten mache Tag ich mich mit einer von Carl kurz zuvor sebstgemalten, aber extremst brauchbaren Karte daran, die Moherklippen zu erobern. Die genaue Route werde ich aus Gründen der Geheimhaltung hier nicht weiter breit treten, wer sie gehen möchte, muss sich im Aille River einquartieren und sich von Carl einweihen lassen. Nach etwa einer knappen Stunde finde ich mich jedenfalls am Rande eines gigantischen Abgrundes wieder, 200 m senkrecht unter mir nagt der tosende Ozean am Kliff. Hier und dort haben sich Möwen und Lummen in waghalsiger Position in der Felswand unterhalb der Abbruchkante eingenistet. Trotz – oder gerade wegen des leicht bedeckten, trüben Wetters – macht die Szenerie einen imposanten Eindruck. Nicht viele Menschen finden den Weg zu diesen Abschnitten der Kliffs, aber wenn ich doch mal jemanden ein paar Klippen weiter erspähen kann und somit einen Maßstab für die Dimensionen des Kliffs geliefert bekomme, überraschen mich diese immer wieder aufs Neue.Am O'Briens Tower, wo sich ein Parkplatz für die weniger wanderfreudigen Besucher findet, wird es dann wieder belebter. Hier werden zunächst Postkarten geschrieben, bevor ich das gut gemachte Besucherzentrum besichtige. Nachdem ich mich über Flora und Fauna, Geologie und Kultur- und Tourismusgeschichte des Kliffs und seiner Bewohner informiert habe, geht es per Daumentaxi die etwa 7 km nach Doolin zurück. Das spärliche Sortiment der örtlichen Mini-Tankstelle versorgt mich kurz vor Feierabend noch schnell mit einem spartanischen Abendessen in Form von Pasta mit Tomatensoße und Käse.
Am nächsten Tag lasse ich es gemütlicher angehen. Nach einem ausgiebigen Schwätzchen mit meinem Zimmermitbewohner, einem älteren, weit gereisten und sehr belesenem Mann aus England, mache ich am Nachmittag noch einen kleinen Spaziergang zum Hafen, wo ein paar Mal täglich die kleine Fähre zu den Aran Inseln ablegt. Auf der Felsplatte neben der etwas verschlafen und provisorisch anmutenden Barracke für die Fährabfertigung lasse ich mir den Atlantischen Südwester eine ganze Zeit lang um die Nase wehen.Fürs Abendessen empfiehlt mir Carl McGann's Pub. Als ich die Atlantic Sea Chowder, eine deftige Fischsuppe, als Vorspeise ordere, ahne ich noch nicht, dass man mich hier mästen will. Die Vorspeise allein hätte an sich zum satt werden gereicht, da ich aber den Hauptgang bereits gleich mit bestellt habe und es zudem äußerst lecker ist, lasse ich mich von einem ebenfalls überaus schmackhaftes Irish Stew an den Rand des Platzens bringen. Wohlgesättigt klingt der Abend mit einem Guiness und einem Absacker in Form eines irischen Whiskeys aus, bevor dann aber auch wirklich genug ist und ich ins Aille River zurück rolle.
Nach dem Aufwachen heißt es dann Abschied nehmen von Doolin. Mit Bus Eireann geht es am Vormittag die Küste entlang, richtung Süden nach Ennis und nach dortigem Umsteigen direkt weiter nach Limerick. Dort habe ich ungefähr eine Stunde Aufenthalt, bevor es weiter Richtung Dublin geht. Für die letzte Nacht kehre ich im zentral gelegenen Kinlay House ein, dass sich mit leicht herunergekommenem Ambiente und durchgelegenen Matratzen jedoch als ziemlicher Flop erweist. Egal, für eine Nacht reichts und am nächsten Morgen ist es zur Haltestelle des Buses der mich richtung Flughafen bringt nicht weit. Der Rückflug bringt mich dann noch in den Genuss eines sehr flachen Gleitanflugs über Bremen, den Süden Hamburgs und die Lauenburgische Seenplatte, bevor ich am frühen Nachmittag bei frühlingshaftem Sonnenschein wieder Schleswig-Holsteinischen Boden betrete.